Der kluge Wolfgang Michal, von Augsteins Freitag in den Journalismus zurückgelockt, hat das “Geheimnis” des Grünen Demoskopie-Höhenfluges so einfach wie logisch entschlüsselt. CDU/CSU und SPD haben sowohl Zentrumsbesetzung als auch Polarisierung aufgegeben, mehr aus Qualifikationsmangel und Dummheit, denn aus Not. Was blieb den Grünen anderes übrig?
Auch Michals Italien-Parallele verstrahlt Plausibilität: CDU und SPD könnten ähnlich verschwinden wie ihre Parteigenoss*inn*en in der dortigen PD. Dort waren die Kräfteverhältnisse nur umgekehrt: Kommunist*inn*en und Sozialist*inn*en der ehemaligen PCI nahmen dissidentische Christdemokrat*inn*en barmherzig bei sich auf. Programmatische Inhalte wurden rasiert und eingeebnet, intriganter Konkurrenzkampf verselbstständigte sich, bis der ganze Laden bereit war, von egomanen Persönlichkeiten gekapert zu werden. Das war in Italien der Egomane und hierzulande fast schon wieder vergessene Matteo Renzi. Hier finden wir eine weitere Parallele: der Typus Renzi erinnert stark an den von Michal zu Recht nicht vergessenen Typus Gabriel: Partei egal – hauptsache Ich! Solche Charaktere werden in Hauptstadtberlin gerne beschönigend “Political Animal” genannt; eine Fraktionsvorsitzkollegin von Joseph Fischer pflegte diesen umgangssprachlich so zu benennen (auf deutsch). Nicht wenige Journalistinnen finden das sexy – es ist aber in erster Linie ein Armutszeugnis für ein demokratisches System.
Deutsche Charaktere sind historisch eliminatorischer veranlagt als italienische. Die CDU als letzte Volkspartei wird weniger barmherzig ihre Arme ausbreiten, als es die italienische PCI getan hat. Sie wird die Reste aktiver Sozialdemokrat*inn*en unter die Türritze hindurch herein bitten; die anderen müssen zu den Grünen oder zur Linkspartei (wenn die dann noch existiert).
Michal liegt im übrigen so richtig wie von Lucke: egal, wen die CDU wählt. Einen Vorteil für die Linke oder nur eine ihrer Parteien bringt das nicht. Mit welchen Gefahren wir uns in nächster Zukunft auseinandersetzen müssen, hat der Labour-Linke Paul Mason im Guardian (deutsch übersetzt im Freitag) ausgeführt.
Max Boot beschreibt ebenda, wie Trumps Regime die Weltordnung zum Einsturz bringt. Bös gestolpert bin ich über seine Ausdrucksweise “Barack Obama, der zu wenig interventionistisch agierte”. Da muss der Gute wohl eine politische Sehbehinderung behandeln lassen. Richtig an seinen Ausführungen ist aber, dass Trump bei nicht wenigen das Koordinatensystem und die Massstäbe für politische Hygiene zum Einsturz gebracht hat. Fraktionsmitglieder der anmassend sich “Die Linke” nennenden Partei, wissen sicher, was ich meine …
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