Auf mich wirkt der Hambacher Wald eher wie ein gut gepflegter Forstbetrieb, kaum Unterholz, ordentlich sortierte Bäume. Von Urwald mag ich da nichts erkennen. Aber noch interessanter als die Frage, ob es sich um einen „Forst“ oder einen alten Wald handelt, ist die Geschichte des „Hambacher Forstes”.
Das war ein Bürgerwald und gehörte früher mal den Anwohnern und denen die darin gearbeitet haben. Es gibt einige Menschen, die sich mit dieser Geschichte befassen, darüber wird sicher auch in diesem Blog künftig noch mehr zu lesen sein. Der „Hambi“ eignet sich also allein schon wegen seiner Geschichte vortrefflich als Symbol des Widerstands gegen eine unsinnige und überflüssige Umweltvernichtung für den Braunkohleabbau. Was angesichts der schönen fröhlichen Demonstrationen – die letzte am vergangenen Samstag in Köln mit über 20.000 Teilnehmern – etwas in den Hintergrund gerät, sind die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sowie die laufenden Prozesse gegen „Waldbesetzer”. Das sind jene Menschen, denen es zu einem ganz großen Teil zu verdanken ist, dass dieser Wald noch steht. Zur Anklage kommen Eingriffe in die Energieversorgung, Gewalt gegen den Wachschutz von Rheinbraun und sozusagen als Standardvorwurf – „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.“ Wobei auf Seiten der Polizei etliche Gewaltexzesse gegen zumindest im Film sichtbar friedliche Besetzer dokumentiert sind. Ein Beispiel ist dieses Video einer fröhlich lächelnden jungen Frau, der ein Polizist plötzlich in die Augen greift und sie gemeinsam mit einem weiteren Beamten zu Boden ringt.
Sicherheitsaufwand wie bei Terrorismusprozessen
Was möglicherweise vorher geschah, ist auf dem MDR-Film nicht zu sehen. Aber Besuche in den Gerichtsverhandlungen gegen Baumbesetzer zeigen, dass viele Anklagen auf recht dünnen Indizien und interpretationsfähigen Zeugenaussagen fußen. Was noch auffällt ist, dass die Polizeiführung wie zum Beispiel die Kreispolizeibehörde Aachen, nach der Erkenntnis vorzugehen scheint: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Folglich wird bei einem Prozess gegen eine aktive Waldbesetzerin, die sich auch schon mal an eine dieser Monstermaschine angekettet hatte, im und weiträumig um das Amtsgericht in Düren mindestens eine Hundertschaft Polizisten postiert. Die optische Wirkung: Wenn da so viele Polizeibeamte nötig sind, werden das ja ganz gefährliche Menschen sein, die dort vor Gericht stehen. Tatsächlich lungerten die Beamten gelangweilt draußen herum, kein Störer, kein gewalttätiger Demonstrant weit und breit. Einige politische Freunde der Angeklagten Lea S. saßen brav im Gerichtssaal und hörten zu. Dafür hatte es die Einlasskontrolle in sich. Ein Sicherheitsaufwand der an Terrorismusprozesse erinnerte.
Rasierklingen im Presseausweis?
Auch ich wurde kontrolliert, mein Presseausweis sollte fotokopiert werden und eine Justizoberwachtmeisterin namens L. blätterte in meinem Terminkalender. Was ich nicht so richtig lustig fand. Ich wies sie darauf hin, dass ich Journalist sei und sagte weiter “Gute Frau das geht sie nun mal gar nichts an. Unterlassen Sie das bitte.” Ihre schnippische Antwort: “Sie können sie ja beschweren”. Und weil sie mich so nett darum bat, bekam die Dame, was sie offenbar wünschte – eine Dienstaufsichtsbeschwerde von mir. Die Antwort des Direktors des Amtsgerichts Aachen hat mich überrascht. Natürlich hat die Oberwachtmeisterin nach Auffassung ihres Chefs richtig gehandelt. Denn so heißt es in der Antwort: „Wie Sie bereits wissen, war ausweislich der sitzungspolizeilichen Anordnung der für die Durchführung des Strafverfahrens gegen Frau Lea S. vom 5.7.2018 zuständigen Richterin angeordnet, dass Zeugen und Zuhörer, außer die durch Presseausweis legitimierten Vertreter von Presse, Rundfunk und Fernsehen, zu kontrollieren sind. In ihrer dienstlichen Stellungnahme hat mir Frau JOWin L. geschildert, dass Sie Ihren Kalender bzw. Ihr Notizbuch in die Hand genommen und mit dem Buchrücken nach oben durchgefächert hat, ohne von etwaigen Notizen Kenntnis zu nehmen. Insoweit handelt es sich um eine Routinekontrollmaßnahme, weil sich darin gefährliche Gegenstände wie z.B. Rasierklingen u.a. verbergen können. Nach der Erinnerung von Frau J. erfolgte diese Kontrollmaßnahme bevor Sie sich gegenüber Herrn JOW C. durch Presseausweis als Pressevertreter ausgewiesen haben, wobei ein zeitgleicher Geschehensablauf auch möglich ist. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Maßnahmen der Dienstaufsicht sind daher nicht veranlasst.”
Ich rufe zu Prozessbesuchen auf – “im Namen des Volkes”
Ja mit der Wahrnehmung von Fakten ist das so eine Sache. Mein Presseausweis befand sich bereits bei einer weiteren Justizordnungskraft, die diesen fotokopieren wollte. Dass ich Journalist sei, hatte ich zudem sehr laut und verständlich kundgetan. Solche Vorgehensweisen dienen der Abschreckung – das Gericht ist an einem übermässigen Besuch seiner Veranstaltungen nicht wirklich interessiert. Die Antwort darauf sollte sein – massenhafte Besucherzahlen.
Wer es einrichten kann, sollte solche Prozesse besuchen, schließlich wird im „Namen des Volkes“ geurteilt und es werden auf diese Weise durchaus schon mal Existenzen vernichtet. In diesem Fall in Düren bekam die Angeklagte aufgrund einer recht dünnen Zeugenaussage eine Bewährungsstrafe. Die Tatvorwürfe: Widerstand und Eingriff in unser aller Energieversorgung. Das Gericht ließ sich vom RWE davon überzeugen, dass die Braunkohle aus Hambach ganz doll wichtig ist, damit bei uns allen nicht die Lichter ausgehen. Das ist zwar nachgewiesenermaßen dummes Zeug – aber auch Richter wollen Karriere machen.
Weitere Prozesse stehen bevor, eine ständig aktualisierte Liste findet sich hier.
Diese Seite gehört zum Solidaritätsumfeld – man muß ja nicht mit allem einverstanden sein, was dort geschrieben wird. Aber mir scheint es wichtig, dass möglichst viel Volk in den Prozessen die Zuschauerbänke füllt – denn schließlich wird – da wiederhole ich mich gerne – im „Namen des Volkes“ geurteilt.
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