von Gert Samuel
Immer wieder wird das Schlagwort „Digitalisierung“ quasi wie ein notwendiges Allheilmittel für das Fortbestehen der Menschheit und eine erfolgreiche Lösung der großen gesellschaftlichen Aufgaben in die politischen und auch die Alltags-Debatten geworfen. Das folgende Buch setzt sich grundlegend mit den Möglichkeiten und auch mit den Grenzen, den überzogenen Erwartungen sowie mit den Gefahren eines unkritischen Nachlaufens und gedankenlosen Umsetzens der Forderung nach umfassender Digitalisierung auseinander.
Steffen Lange und Tilman Santarius plädieren in „Smarte grüne Welt? Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit“ nicht für eine disruptive, sondern für eine sanfte Digitalisierung. Ausgehend von den beiden miteinander verschränkten Herkulesaufgaben unserer Generation – die Welt mit 7,5 Milliarden Menschen gerechter zu machen und gleichzeitig die Umwelt vor dem Kollaps zu bewahren – suchen die Autoren faktenreich nach Antworten auf Kernfragen um dieses Modewort wie etwa: Wes Geistes Kind ist die Digitalisierung? Sind es Bespitzelung und Kontrolle, weitere Effizienz- und Profitsteigerungen für den globalen Kapitalismus oder die Stärkung von Selbstbestimmung, sozialer Kooperation und einer nachhaltigen Ökonomie? Bis heute begleiten diese drei Großthemen die Debatten über jede neue Welle der Digitalisierung.
Die Antworten hängen nach Lange und Santarius davon ab, welche Akteure mit welchen Interessen die jeweiligen digitalen Technologien und Anwendungen entwickeln, gestalten und nutzen. Der Megatrend Digitalisierung werde keine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen von sich aus lösen. Die Digitalisierung sei nicht das eine neue Phänomen, das alle alten in den Schatten stelle. Vielmehr füge sie bestehenden Problematiken eine weitere Facette hinzu. „Neutral“ seien die digitalen Lösungsangebote jedenfalls kaum, meist eher von Widersprüchen gekennzeichnet. Wo liegen die Chancen, wo die Risiken der zunehmenden Digitalisierung vieler Lebens- und Wirtschaftsbereiche für eine soziale und ökologische Transformation der Gesellschaft? Die Treibenden der Digitalisierung müssten dafür sorgen, dass dieser Prozess an die gesellschaftlichen Vorstellungen angepasst werden und nicht umgekehrt – als eine Digitalisierung nach menschlichem und ökologischem Maß.
Steffen Lange, Tilman Santarius:
Smarte grüne Welt? Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit
oekom 2018, 268 Seiten, 15,00 €
ISBN 978-3-96238-020-5
Lesen Sie zur Vertiefung, mit einem etwas anderen aber durchaus komplementären Betrachtungswinkel, auch das Interview von Dominik Irtenkauf/telepolis mit dem Buchautor Robert Feustel (»Am Anfang war die Information« Digitalisierung als Religion; Verbrecher-Verlag)
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