Gut versteckt: Klimawandel in den Alpen & Macht der Bauernlobby
Ein Strukturmerkmal der öffentlich-rechtlichen Medien ist, die Menschen, die versucht sein könnten, sich für ihren Bestand zu engagieren, zu demobilisieren. Den Trick der asymmetrischen Demobilisierung, mit dem die Bundeskanzlerin sehr lange erfolgreich war, verstehen Intendant*inn*en und Programmdirektionen damit grundsätzlich miss. Und funktionieren tut er ja auch nicht mehr.
Heute nacht sendet die ARD z.B. zwei neue Features, die ihr Publikum zur Primetime zwischen 20 und 23 h gut vertragen würde. Aber leider ist dort alles voll: es gibt wieder ein Wetter und eine Plasberg-Kirmes. In den Programmdirektionen gibt es eine Mehrheitsmeinung, dass politische Dokus für das doofe Publikum zu schwerer Stoff seien – die Menschen brauchen (und verlangen angeblich) Unkompliziertes und Leichtverdauliches.
Ja, das ist natürlich eine ernsthafte Frage, wer nach den mitternächtlichen Dokumentationen zum Klimawandel in den Alpen (Autoren: Thomas Aders, Wolfgang Wanner, SWR-Redaktion: Susanne Sterzenbach) und zur Macht des sog. “Bauernverbandes” (Autor: Matthias Fuchs, Produktion: taglichtmedia für den WDR) noch gut schlafen kann und will. Sicher hatten Sie um Mitternacht anderes zu tun. Update später Vormittag: die ermittelten Einschaltzahlen sind 1,4 Mio. für den Alpenfilm, und noch 800.000 tapfere, konditionsstarke Zuschauer*innen zur Bauernlobby. Nutzen Sie die Mediathek; die ARD hatte diese Werke schon vor dem Sendetermin online gestellt, immerhin.
Beide Filme sind handwerklich konventionell und inhaltlich gründlich. Letzteres genügt, dass manche Hierarchen das nur mit spitzen Fingern anfassen, Ärger und Stress befürchten. Schön wärs, dann würde es wenigstens auffallen.
Etwas ärgerlich finde ich – die Vorgesetzten wird es weniger stören – dass Matthias Fuchs im späteren Film uns Verbraucher*inne*n den Schwarzen Peter zuschiebt. Dabei weiss er ausweislich seines eigenen Films selbst, dass es deutsche Schlachtfabriken nicht die Bohne interessiert, wenn ich oder Sie mit dem Massentierhaltungsfleischessen aufhören würden (was ich schon getan habe). Dann wird eben exportiert und die Agrarmärkte anderer, schwächerer Länder werden ruiniert (von Rumänien bis Ghana). Fragen Sie mal den Westfleischboss und Putinfreund Clemens Tönnies, wie sehr ihn das jucken würde. Umgekehrt fressen und kaufen wir in Deutschland schon längst ein Vielfaches an Bioware, als hierzulande überhaupt produziert wird – es ist Importware, weil hierzulande zuwenig Produktionsstätten und Höfe umgestellt haben. Öko ist was Anderes als dieses System. Um es zu ändern, müssen wir über unser Individualverhalten hinaus etwas weit Grösseres verändern: die Politik.
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