Von der Messe Essen nach Düsseldorf, Rathausplatz
von Gert Samuel
Am Dienstag startete in der Messe Essen die dreitägige „E-world energy & water“, Europas Leitmesse der Energiewirtschaft. Ich besuchte den 23. Fachkongress Zukunftsenergien der EnergieAgentur.NRW. Hauptredner war nicht wie in den Vorjahren Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW – der kurvte irgendwo in Indien durch die Gegend. Er ließ sich durch seinen Staatssekretär Christoph Dammermann vertreten. In einer etwa halbstündigen Vorlesung direkt nach der Mittagspause deklamierte er Gedanken zu den Themen: „NRW, die führende Energieregion Europas“ sowie „Wir sind ein starker Industriestandort und werden das auch bleiben“.
Natürlich kommentierte er die Vorschläge der Kohlekommission. Diese müssten als „Gesamtpaket“ begriffen, dürften auf keinen Fall verändert werden. Und selbstverständlich ließ er keine der vielen fachlichen Plattitüden aus: Schrittmacher für die Energiewende, Klimaschutz als Treiber für Innovationen, integriertes Gesamtsystem mit den Sektoren Strom, Wärme/Kälte und Mobilität, E-Mobilität und Wasserstoff. Er kündigte eine „Energieversorgungsstrategie“ der Landesregierung an und charakterisierte die Industrie der Zukunft als Treibhausgas-neutral. In der etwa neunundzwanzigsten Minute seiner Rede nuschelte er in einem Nebensatz etwas von Erneuerbaren Energien.
Zum Konferenzthema „Wie sieht das Energiesystem der Zukunft aus?“ lieferte dieses Statement keine Impulse, aber dafür sind Staatssekretäre wohl auch nicht zuständig. Das allerdings hatte am Vormittag Andreas Breuer, Leiter Neue Technologien/Projekte bei innogy SE, offensichtlich im Sinn. Immer wieder äußerte er sich euphorisch zu dezentralen Energielösungen, hob er die Vorteile von Verteilnetzen hervor, riet er zum Integrieren von Kleinstanlagen in die Energiebereitstellung, freute er sich über die vielen Partnerschaften von innogy mit Start-ups bei der Digitalisierung der Energiewende. Wer sich nicht an die zahllosen Attacken gerade von RWE gegen die Erneuerbaren Energien (EE) während der vergangenen dreißig Jahre erinnerte, konnte denken, Andreas Breuer sei einer der engagiertesten, kompromisslosesten Vorkämpfer für den EE-Ausbau. Nur wer das letztmöglich erfolgte Aufspringen auf den fahrenden Zug ausblendet, kann sich so unverfroren als Förderer und Treiber der Erneuerbaren Energien darstellen und zugleich quasi wie selbstverständlich den Anspruch auf das „Orchestrieren“ der laufenden Energiewende nach Konzerninteresse erheben.
Ortswechsel: Am Freitagmittag trafen sich auf dem Düsseldorfer Rathausplatz zum vierten Mal Schüler*innen und Student*innen, um im Rahmen der „FridaysForFuture“-Kampagne dieses Mal der Politik Zeugnisse in Sachen Klimaschutz auszustellen. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, „RWE zerstört das Klima, die Parteien finden’s prima“, „Kohlenausstieg bis spätestens 2030“, „Handelt jetzt und auf der Stelle“, „Worin wir unsere Zukunft sehn, Erneuerbare Energien“ – waren einige der Parolen und Forderungen, die von den etwa 800 Teilnehmenden auf dem Weg zum Landtag und dort bei der Kundgebung gerufen wurden. Redner*innen kritisierten die Macht der Energie- und Autokonzerne, forderten mehr Tempo beim Kohleausstieg und kündigten an, dass sie freitags immer wieder kommen würden, bis Ministerpräsident Laschet ihre Forderungen in Landespolitik umsetzen wird.
Geschlossene Räume wie die Messe in Essen und im Düsseldorfer Landtag schützen vor Kälte und Niederschlag – auch, um die Sinnesorgane von Politiker*innen funktionstüchtig zu erhalten. Jedoch schotten diese auch vom „Draußen“ ab. Wann werden die Ängste, der Protest und die Forderungen der besorgten Jugendlichen ernst genommen?
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