Der fussballindustrielle Komplex braucht Planungssicherheit. Alle Werder-Fans haben das gestern gesehen. Fragt sich im Gegenzug: wer braucht einen Wettbewerb mit dieser Planungssicherheit? Wenn es ums Geld geht, genügt es, wenn die Amateure einen Wettbewerb ausspielen, wer gegen reiche Profivereine antreten darf. Und wenn mal ein Amateurverein gewinnt, gibts sowas Ähnliches wie einen Lottojackpot: die DFL muss für jede Niederlage 10, 20, oder 30 (das ist Verhandlungssache) Mio., also einen Teil ihrer Portokasse, an die DFB-Amateure zahlen. Das Finale in Berlin kann sportlich eingespart, oder durch ein Schlagerfestival ersetzt werden. Mehr Freizeit für die Polizei.
Folgende Indizien gibt es für die von allen Werder-Fans vermutete Verschwörung. Ihr Stadionsprecher Arnd Zeigler scheint mir da, gewiss gegen seinen Willen, nicht unbeteiligt.
WDR-Programmdirektion kannte den Spielverlauf schon vorher
Der WDR ist bewusst und mit Absicht als federführende Anstalt für die ARD-Sportschau Teil des fussballindustriellen Komplexes. So hat er sich von unserem Geld TV-Senderechte für das Ruhrpottderby kommenden Samstag gekauft, ohne uns Rechenschaft abzulegen, was er in die Taschen des privaten TV-Konzerns Sky und der DFL zahlt. WDR-Programmdirektor Schönenborn, von manchen als “heimlicher Intendant” bezeichnet, wusste schon vor Wochen, dass es in dem gestrigen Halbfinale keine Verlängerung geben wird. Denn er programmierte gestern für 22.55 h, also eine Viertelstunde nach dem Schlusspfiff, sein Fachmagazin “Sport inside”. Damit ist die Geschichte aber noch nicht zuende, sondern jetzt geht sie erst los.
WDR nötigte Fußballgott zur Lohnarbeit
Der Fußballgott, der schon 2001 so schmählich missachtet wurde, bewegt sich zur Zeit in Gestalt seines Sohnes, des Fernsehpreisträger Tom Theunissen, unter uns. Nach zwei Jahren Pause war es schon auffällig, dass er in Arnd Zeiglers (= Werder-Stadionsprecher!) vom WDR (!) produzierten Sendung wieder zur Lohnarbeit antreten musste (ab Minute 5:50). Zeigler meinte es gewiss gut, vor dem Halbfinalspiel noch einmal den Fußballgott anzurufen. Der aber war abgelenkt, und überlastet. Theunissen ist bekannt dafür, dass er die Kriminalität der Fußballkonzerns aus dem süddeutschen Raum ungnädig betrachtet und nach Möglichkeiten der Bestrafung sucht.
“Schorsch Aigner” war Fußballgotts Notwehr
Leider hat es dabei bisher nur zu seiner Schaffung von Schorsch Aigner, in der Menschengestalt von Olli Dittrich gereicht, zweifellos für alle Menschen des Fußballgottglaubens eine grosse kulturelle Bereicherung.
Sport inside – hat wieder keine*r gesehen, war aber spannender
Gestern nun hat ihn der WDR zusätzlich genötigt, allein zwei Drittel von Sport inside zu wuchten: ein Beitrag über die Oligarchisierung des einst glorreichen Berliner Fußballvereins Tennis Borussia; sowie ein Beitrag über die Wiener Vereine Rapid und Vienna während der Nazizeit. Grossartig auch der Beitrag von Benjamin Unger und Matthias Hufmann über Souleymane Chérif, den einstigen “Pelé von Neubrandenburg” (1964-66). Durch diese Überlastung mit quantitativ und qualitatv gewichtiger journalistischer Arbeit, die in der Regel mit keinerlei Einschaltquotendank verbunden ist (gestern mit 106.000 exakt genauso viel, wie “Giraffe, Erdmännchen und Co.” mittags um 11:55 h), fand der Fußballgott keine Gelegenheit mehr, das gestrige Spiel zu segnen oder gar vor irdischen Gefahren und Unrecht zu schützen.
Uns Fußballgottgläubigen bleibt so nur noch die Hoffnung auf ein Johan-Cruyff-Gedächtnisfinale in der Champions-League zwischen Barca und Ajax. Ich fürchte nur, dass auch hier die Säkularisierung unaufhaltsam sein wird.
Ich muss zugeben, dass ich gestern zwischen Wilsberg und Pokal hin- und hergeschaltet habe, zufällig die göttlichen 5 Minuten von Werders Aufbäumen miterleben durfte und dann den gnadenlos offensichtlichen Fehlentscheid des Schiedsrichters, der das undenkbare und natürlich unstatthafte eventuell ja wieder offene Spielergebnis im Sinne der Bayern-Bonzen Höneß und Rummenigge auf der Tribüne willfährigst zurecht rückte. Meine einzige Genugtuung war, dass deren feistes Grinsen nach dem 2:2 für doch fast 10 Minuten zur Furcht gefror, es gäbe noch nicht von ihrer Kohle gekaufte Spiele. Das schlimme ist wirklich, dass die ARD für sowas Geld bezahlt und sich deshalb keinen Journalismus mehr leisten kann. “Den Reichen wird gegeben”, sagt das K. in Marc-Uwe Kling’s Känguru-Offenbarung.