Offener Brief an den Bundesinnenminister
von Ullrich Sierau u.a. (s. unten)
Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister Seehofer,
am Freitag, den 14. Juni 2019, haben wir, die Städte Berlin, Detmold, Flensburg, Freiburg, Greifswald, Hildesheim, Kiel, Krefeld, Marburg, Potsdam, Rottenburg am Neckar und Rostock, gemeinsam das Bündnis Städte Sicherer Häfen gegründet. Wir sind die ersten zwölf Kommunen, die sich aus der Gruppe der nunmehr 60 Sicheren Häfen (1) zusammengeschlossen haben. Damit wiederholen wir Ihnen gegenüber unsere Bereitschaft, aus Seenot gerettete Menschen zusätzlich (über den Königsteiner Schlüssel hinaus) bei uns aufzunehmen. Solidarität mit Menschen auf der Flucht, der SEEBRÜCKE und der zivilen Seenotrettung sind für uns kein Lippenbekenntnis, sondern ein Ziel. Wir verlangen eine schnelle, humane und solidarische Aufnahmepolitik Deutschlands angesichts der Notlage im Mittelmeer.
Am Mittwoch, dem 12. Juni, hat das zivile Seenotrettungsschiff, Sea-Watch 3, 53 Personen gerettet und wird bisher am Einlaufen in einen sicheren Hafen gehindert. Es ist für Europa unwürdig, Menschen in Not tagelang auf einem Schiff festzusetzen.
Jeder Mensch hat das unveräußerliche Recht, Asyl zu beantragen und darf nicht in ein Land zurückgeschickt werden, in dem ihr oder ihm Verfolgung, Folter oder unmenschliche Behandlung drohen. Damit einher geht auch das Recht, zu einem sicheren Hafen gebracht zu werden. Das internationale Seerecht und die Genfer Flüchtlingskonvention sind historische Errungenschaften, die nicht durch weitere Missachtung ausgehöhlt und beschädigt werden dürfen.
Am Freitag, dem 14. Juni, kündigte Stephan Neher (CDU), Oberbürgermeister der Stadt Rottenburg am Neckar an, die 53 Menschen an Bord der Sea-Watch 3 aufnehmen zu wollen. Berlin und Kiel schlossen sich dieser Initiative unmittelbar an. Als Bündnisstädte, „Sicherer Häfen“, begrüßen und unterstützen wir diese Angebote. Wir sind bereit, Menschen in Not zu helfen und fordern Sie auf, uns dabei zu unterstützen:
Weisen Sie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an, eine Aufnahmezusage für die von der „Sea-Watch 3“ Geretteten zu erteilen und sorgen Sie so dafür, dass diese nach Rottenburg am Neckar, Kiel und Berlin kommen können! Wir verlangen, dass sich Deutschland im Weiteren dieser humanitären und gesamtgesellschaftlichen Aufgabe stellt und die Verteilung über den dafür vorgesehenen Schlüssel erfolgt. Nehmen Sie Kontakt mit den italienischen Behörden auf und informieren Sie sie über die Aufnahmebereitschaft Deutschlands und unserer Städte.
60 Kommunen, verschiedene Bundesländer (wie z.B. Brandenburg), die Kirchen, Seenotrettungsorganisationen und der breite zivilgesellschaftliche Zusammenschluss SEEBRÜCKE fordern seit Monaten die zusätzliche Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland. Im April diesen Jahres ersuchten 250 zivilgesellschaftliche Organisationen die Bundeskanzlerin, kommunale Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen zu ermöglichen. 211 Bundestagsabgeordnete der Parteien Grüne, Linke, SPD, FDP und CDU bestärkten diese Forderung in Form eines Oster-Appells an die Bundesregierung.
Jetzt liegt es an Ihnen zu handeln. Lassen Sie uns humanitäre Verantwortung übernehmen und bereiten wir dem anhaltenden Sterben auf dem Mittelmeer gemeinsam ein Ende. In Erwartung Ihrer Antwort, mit freundlichen Grüßen
Unterzeichnende Bündnisstädte:
Ullrich Sierau, Oberbürgermeister der Stadt Dortmund
Thomas Geisel, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf
Dr. Florian Janik, Oberbürgermeister der Stadt Erlangen
Dr. Stefan Fassbinder, Oberbürgermeister der Universitäts- und Hansestadt Greifswald
Ulf Kämpfer, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Kiel
Dr. Thomas Spies, Oberbürgermeister der Universitätsstadt Marburg
Stephan Neher, Oberbürgermeister Rottenburg am Neckar
Frank Hasenberg, Bürgermeister der Stadt Wetter (Ruhr)
Weitere Unterzeichner*innen:
Henriette Reker, Oberbürgermeisterin der Stadt Köln
Dr. Ulrich Maly, Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg
(1) “Einen menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten fordern rund 60 Städte und Gemeinden aus ganz Deutschland, die sich seit Sommer 2018 offiziell zu „Sicheren Häfen“ erklärt haben. Sie solidarisieren sich mit der Initiative „Seebrücke“. Dabei bekunden sie öffentlich und mit Nachdruck ihre Bereitschaft, aus Seenot gerettete Menschen in ihren Städten und Gemeinden zusätzlich aufzunehmen.” (Potsdamer Erklärung, 03.06.2019). Alle Sicheren Häfen hier. (Bonn gehört dazu.)
Dieser Beitrag wurde in dem Wortlaut übernommen, wie er im “Braunschweig-Spiegel” erschienen ist. Der dort dokumentierte Text datiert von vergangenem Montag (24.6.). Wenn Sie seitdem eine Reaktion der Bundesregierung vernommen haben, teilen Sie das bitte in den Leser*innen*kommentaren mit.
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