Die Gewerbegemeinschaft Beuel war in den letzten Jahren, sogar Jahrzehnten, ein wichtiger Stabilitätsfaktor für die Entwicklung Beuels. Alle Parteien sahen sich genötigt, sie ernstzunehmen und auf politische Positionen zu verzichten, die die GGB gegen sie aufbringen könnten. Frühere Vorsitzende waren Mitglied bei den Grünen (Harder, Arens), verzichteten dort aber auf die Übernahme kommunalpolitischer Mandate, agierten unabhängig, und machten sich lieber auch mal intern in ihrer Partei unbeliebt (Harder trat wg. der Rauchverbote sogar aus, schade eigentlich). Der jetzige Vorsitzende Werner Koch will dagegen nächstes Jahr bei der Kommunalwahl für die CDU kandidieren; ihm werden sogar Ambitionen auf den Bezirksbürgermeister nachgesagt.
Das ist zunächst mal sein Grundrecht, wie es jede*r Bürger*in besitzt, und ihm darum nicht abzusprechen. Er muss am Ende selbst abwägen, ob er sich damit nicht selbst in Interessenkollisionen bringt, die ihm mehr schaden als nutzen. Wenn er z.B. in einem langen GA-Interview u.a. darauf hinweist, “dass die Siegburger Straße und die Königswinterer Straße bis Ecke Maarstraße seit 2012 offiziell zum Beueler Zentrum gehören, also vom Einzelhandels- und Zentrenkonzept mit erfasst werden”, dann sagt er hier die Wahrheit nicht ganz vollständig. In dem Beschluss des Stadtrates von 2012 ist diese Feststellung um die Formulierung ergänzt “wobei großflächiger Lebensmitteleinzelhandel im genannten Bereich jenseits der Bahngleise ausgeschlossen wird.”
“Formfehler” der Stadtverwaltung konterkariert Stadtratsbeschluss
Die vom CDU-Oberbürgermeister Sridharan geführte und von ihm zu verantwortende Verwaltung hat nun, angeblich durch einen “Formfehler”, provoziert, dass exakt das passiert, was mit diesem Beschluss ausgeschlossen werden sollte. Und die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker*innen aller Parteien stehen jetzt da wie begossene Pudel. Ebenso die Mitglieder der von Koch geführten Gewerbegemeinschaft.
Warum ist das so sensibel? Das Geschäftsmodell der Einzelhandelsgrosskonzerne basiert auf unbegrenzter Masse: beim Einkauf Preise drücken über riesige Abnahmegarantien. Transport der Massenware just-in-time mit Riesen-LKW-Flotten. Abverkauf auf Riesenflächen in kürzester Zeit an grosse Kundenmassen. Die wiederum ihre PKWs und SUVs auf ausgedehnten Parkplatzflächen abstellen sollen, und, damit sich der ganze Stress nicht allzu oft wiederholt, grosse Mengen einkaufen und an ihren Kofferraum bzw. Ladefläche rollen, damit sie nicht so bald wiederkommen müssen. Diese Kundenfrequenz und -Nachfrage geht all den Einzelhändler*inne*n verloren, die wichtige Infrastruktur- und Versorgungsaufgaben für die zahlreicher werdenden Kund*inn*en erfüllen, die über kein Auto verfügen – nicht nur klimaschützende Jugendliche, sondern auch immobile Alte – die werden bekanntlich beide immer mehr.
Zwischen diesen Mühlsteinen muss sich nun die Gewerbegemeinschaft behaupten. Ich bin gespannt welchen Weg sie einschlägt.
Amazonlogistik-City mit angeschlossener Sklaverei – oder Beuel?
Am Ende des Tages geht es bei diesen Konflikten nicht nur um Beuel, sondern um die Infrastruktur unserer gesamten Konsumgesellschaft. Die eigentliche Bedrohung geht hierbei aktuell vom Amazon-Konzern aus; und wenn er eines Tages untergeht, von seinen Nachfolgern. (Hier ähnlich: Google/Alphabet). Er schöpft die fettesten Tortenanteile des Massen-Konsums ab. Dagegen muss sich der stationäre, und noch mehr der inhaber*innen*geführte Einzelhandel zusammenschliessen. Und ein Bündnis mit den Gewerkschaften und seinen Stammkund*inn*en organisieren. Alle werden nur zusammen stark sein. Klimaschutz, Verkehrsvermeidung, Versorgungssicherheit, handwerkliche Qualität, persönliche Beratung und persönlicher Service statt stundenlanger Bildschirmarbeit – gegen Geschäftsmodelle, die die Kund*inn*en und unterbezahlte Logistik-Sklav*inn*en die ganze Arbeit machen, und den Profit in die Taschen von weniger als einem Dutzend Milliardärsfamilien fliessen lassen. Es geht hier nicht nur um Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit, sondern auch um den Erhalt lebenswerter Städte und Stadtteile. Alle müssen hier Position beziehen: Einzelhandel, Tarifpartner, Europa- bis Kommunalpolitik, und selbstverständlich wir Konsument*inn*en.
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