Greta Thunbergs Atlantiküberquerung mit einer Rennjacht zum Klimagipfel von New York mag dem Nervenkitzel dienen, ist aber ansonsten völlig unsinnig

Wenn Greta Thunberg dem Klimagipfel in New York auf Monitoren von Stockholm aus zugeschaltet worden wäre: das öffentliche Interesse wäre überschaubar gewesen. Zu oft ist die Aktivistin schon zu sehen gewesen, als dass ein nüchterner Auftritt allein noch für Schlagzeilen sorgen könnte. Ein bisschen mehr Nervenkitzel möcht’ schon sein, soll sich das Publikum nicht gelangweilt abwenden. Nun also eine Rennjacht für die Atlantiküberquerung. Was kommt als Nächstes? Ein klimafreundlicher Seiltanz?

Die Ironie richtet sich nicht gegen das junge Mädchen und seine Familie. Ohnehin sind die Häme gegenüber der 16-Jährigen und die Zahl von Unterstellungen ohne jede Grundlage unappetitlich. Eine davon, die sich im Netz besonderer Beliebtheit erfreut: Der ganze Hype um Greta Thunberg sei eine raffinierte PR-Aktion ihres Vaters, der damit den Umsatz seiner Firmen steigern wollte. Das ist lächerlich. Schon die einsehbaren Zahlen widerlegen es, aber deren bedarf es gar nicht. Wer meint, jemand könne Millionär werden, indem er seine Tochter mit einem Schild vor dem Parlament postiert, glaubt auch ans Sandmännchen.

Nein, Greta Thunberg hat ganz offensichtlich mit ihrem Kampf für Klimaschutz einem Anliegen ein Gesicht verliehen, das bereits vor ihrem Schritt ins Rampenlicht mehr Menschen bewegte, als die meisten Politikerinnen und Politiker wahrhaben wollten. Es mag geholfen haben, dass sie aus Schweden stammt, also einem Land, das seit Langem keine Machtpolitik betreibt. Es mag auch geholfen haben, dass sie so bemerkenswert uneitel zu sein scheint. All das ändert jedoch nichts daran, dass ihre Atlantiküberquerung in einer Rennjacht unsinnig ist und der Bewegung nicht guttun wird. Nicht nur deshalb, weil – wie die taz aufdeckte – die Bilanz ihrer Reise dem Klima vermutlich mehr schadet, als es ein Flug getan hätte. Sondern auch aus übergeordneten Gründen.

Politik kommt nicht ohne symbolisch aufgeladene Bilder aus, eine Protestbewegung schon gar nicht. Deshalb gibt es Nationalfeiertage und Militärparaden, Sitzblockaden und Baumhäuser. Aber jede Symbolik muss ein Ziel im Blick haben. Sei es, die Bevölkerung von der eigenen Stärke zu überzeugen. Sei es, ein Projekt zu verhindern. Oder ein Gesetz. Oder eine Abschiebung. Oder sonst etwas.

Aber wozu soll eine Atlantiküberquerung per Rennjacht gut sein? Ist die Botschaft: Lasst uns künftig 5.000 oder 50.000 oder 500.000 Renn­jachten im Monat übers Meer schicken, damit alle Geschäftsleute ihr Ziel erreichen können, ohne zum Klimawandel beizutragen? Albern.

Widerstand richtet sich, wie schon der Name sagt, im Regelfall gegen die Herrschenden und ihre Politik. Die Klimabewegung verfolgt jedoch ein noch ehrgeizigeres Ziel: Die ganze Menschheit zum Umdenken – schwierig, aber möglich – und zu einer Änderung ihrer Lebensgewohnheiten – immens schwierig, wenn nicht gar unmöglich – zu bewegen.

Wenn das überhaupt gelingen kann, dann nur, indem konkrete, realistische Alternativen aufgezeigt werden. Deshalb wäre es gut, sehr gut gewesen, Greta Thunberg wäre per Monitor auf dem Klimagipfel aufgetreten. Die Botschaft: Ihr müsst nicht alle immerzu fliegen, um das zu erreichen, was ihr wollt. Manchmal reicht auch eine Telefonkonferenz.

Stimmt schon: Das ist viel langweiliger als eine Anreise per Rennjacht. Kann aber langfristig deutlich mehr Wirkung erzielen. Weil es dann nämlich um die Frage geht, ob eine Reise überhaupt nötig ist. Manchmal ist der Weg eben doch nicht das Ziel.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.

Über Bettina Gaus:

Bettina Gauss ( † ) war politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Ihre Beiträge sind Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag.