In der Science-Fiction-Reihe “Ren Dhark” – 1965 als Konkurrenz zu “Perry Rhodan” erschienen, zwar nicht gleich bekannt, aber inzwischen ebenso wie dieser fast unsterblich, gibt es eine mit der Menschheit befreundete Zivilisation Canoider Lebewesen, die ihr politisches System – obwohl intelligent und raumfahrend – nach hündischen Rudelrangordnungen gestalten. Der stärkste Rüde ist der Anführer und von Zeit zu Zeit wird dies in mitunter tödlichen Beißritualen ausgefochten. Männliche Canoide haben bis zu vier Weibchen. Nach der “Verkaufsanfrage” von Trump in Sachen Grönland habe ich lange nachgedacht, wie sein absurd erscheinendes, alle diplomatischen Regeln verletzendes Verhalten erklärt werden könnte.
Natürlich wäre es richtig, zu analysieren, dass hinter dem politischen Affront Trumps eine kalkulierte Provokation steckt: Wie anders als durch ein solch skrupellos koloniales und an die Zeit des Imperialismus des 19. Jahrhunderts erinnernde Geste könnte Trump die Geringschätzung für das Selbstbestimmungsrecht der Völker (Grönländer) durch die Ignoranz ihrer Teilautonomie penetranter zum Ausdruck bringen? Die Verachtung der Souveränität Grönlands ebenso wie die der EU und Dänemarks bis hin zur persönlichen Mißachtung der Kopenhagener Regierungschefin hätte nicht dreister und unverfrorener formuliert werden können. Der ganze Vorgang war eine einzige Aktion, mit der Trump als archaischer Rudelführer seine Mißachtung und Ignoranz gegenüber allen Beteiligten im Allgemeinen und gegenüber der Auch-Rudelführerin Mette Frederiksen im Besonderen zum Ausdruck gebracht hat.
Das ist die politische Einschätzung seines Verhaltens. Er agiert viel mehr durch seine Haltung, als den Inhalt seiner Erklärung. Das reale Problem besteht darin, dass Trump solche Aktionen ohne Rücksicht auf Verbündete wie Dänemark oder andere Staaten vor allem im Interesse seines Rudel-Rangkampfs in den Vorwahlen der USA macht. Internationales Porzellan zu zerschlagen, ist für ihn kein Hinderungsgrund, bei denjenigen Profit und Zustimmung einzusammeln, die sein Spiel intellektuell nicht durchschauen oder einfach unreflektiert auf non-verbale Gesten ansprechen. Sein Verhalten ist auf den US-Wahl-(Rudelführer-)kampf gerichtet.
Trump hat kein Problem, sich international wie der letzte Dreck aufzuführen, wenn er dadurch seinen eigenen Status im Inneren der Vereinigten Staaten sichert und ausbaut. Er präsentiert sich als Macher und Macho – und das ist erschreckenderweise angesichts der Entpolitisierung, Enthumanisierung und Entsolidarisierung von Teilen westlicher Gesellschaften eine erfolgreiche Strategie. Nach dem gleichen Schema agiert Salvini in Italien, indem er Flüchtlingsschiffe nicht an Land lässt und Bolsonaro, der mit Polizei und Armee posiert, aber kriminelle Goldsucher und verbrecherische brandrodende Farmer deckt. Das gilt auch für Boris Johnson. Es weiss, dass seine Lügen über den Brexit kurze Beine haben. Seine derzeitigen Reisen dienen ausschließlich dem Zweck, die Verantwortung für seinen unverantwortlichen politischen Kurs des harten Brexit letztlich der EU in die Schuhe zu schieben.
All diesen Charaktermasken ist gemein, dass sie keine Skrupel haben, Gesten und Rudelverhalten auszuleben, das unbewußt Loyalität gegenüber dem Leittier provoziert. Auf die Wahrhaftigkeit des Inhalts kommt es nicht an. Nur auf die Wirkung der Geste. Wie auf dem Affenfelsen im Kölner Zoo. Eine erfahrene Western-Pferdetrainierin erklärte mir mal: “Was haben wir mit Pferden und Hunden gemeinsam? Wir sind zu 70% archaische Rudeltiere – wir machen es uns nur zumeist nicht bewusst.” Und deshalb können Leute wie Trump und co. durch scheinbar absurdes Verhalten Menschen erfolgreich manipulieren.
Lesen Sie dazu auch: “Der neue Faschismus” von Marcus Hammerschmitt/telepolis.
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