Nein, ich bin weit entfernt, die Zwei zum Traumpaar zu deklarieren. Greta kenne ich dafür zu schlecht, Jürgen zu gut. Aber mein heutiges Wachwerden mit dem DLF war ein guter Zugang zur Weltlage.
Sich in die junge Schwedin zu versetzen, fällt mir überwiegend schwer, mit einer wesentlichen Ausnahme. Zunächst: nach New York mit Segler anzureisen, wenn auch mit hochqualifizierter fachlicher Begleitung, könnte ich nicht nur nicht bezahlen, ich wäre auch zu feige. Ich Feigling würde irgendwas titanicartiges (“unsinkbar”) bevorzugen. Eine solche Segelreise, stelle ich mir vor, brächte mich beeindruckend nahe an das diesen Planeten zu 2/3 seiner Aussenfläche beherrschende Element, und könnte zu Erfahrungen führen, die denen von Astro-/Kosmonaut*inn+en ähneln: mann und frau kommt diesem Planeten körperlich und sinnlich nahe, wie sonst nie, und oft nie wieder. Vor einem Auftritt vor der Weltöffentlichkeit in New York kann diese Verbindung von Aussen- und Selbsterfahrung eine besondere innere Stärke geben, die gestern vermutlich alle, die ihre eigenen Sinne noch beisammen heben, bemerkt haben.
Das Einpferchen in platzangst- und höhenangstfördernden Umständen um anschliessend von diesem Planeten stundenlang entfernt zu werden, “spart” einerseits kapitalismuskompatibel “Zeit”, stiehlt uns aber Zeit für sinnliche Welterfahrung. Meine Lieblingsreiseform dafür sind die Teuersten, Bahn und Schiff, und zwar am besten ohne ihre vergrabenen und versiegelten, weltabgewandten Turboformen.
Hier folgt nun, was ich bei Greta nachfühlen konnte: das Zittern der Stimme, das Reden der Tränen. Ich halte es für möglich, dass das auf erstklassigen Schauspielschulen erlernbar ist, wahrscheinlich aber nicht für jede*n. In meinen Rhetorikschulungen, weder denen, die ich genossen habe, noch denen, die ich selbst durchführte, kam es vor. Es ist ein dramaturgisch durchschlagender Einbruch von Authentizität in eine inszenatorisch durchaus professionell vorbereitete Performance. Ich bin selbst erblich “nah am Wasser gebaut”, und in meiner politischen Laufbahn ist es mir 2-3mal beim Reden passiert. Gegner*innen sind entwaffnet, ihre vorher einstudierte Reaktion funktioniert nicht mehr, sie werden aus den Gleisen gekippt und entwaffnet. Um sowas “programmieren” zu können, bedarf es einer extrem guten Schauspielschule, für die sich die meisten Politiker*innen gar nicht die Zeit nehmen wollen … Also, danke Greta – das war extrem stark! Update 25.9.: eine treffende Würdigung hier von Arno Orzessek/DLF. Ein Trick soll ja sein, sich dabei gedanklich die lästernden Lümmel in Feinripp-Unterwäsche vorzustellen.
Der DLF-Moderator Jörg Armbruster fragte danach bei den Herren Mützenich (SPD-Fraktionschef) und Trittin (Ex-Grünen-Chef) ihre Reaktionen ab, was die beiden professionell locker abarbeiten konnten. Da lag die Latte für Frau Merkel in NYC schon höher. Aufschlussreich war dagegen – ich machte eben beim Tippen einen Flüchtigkeitsfehler, als ich beide als “Oppositionsvertreter” titulieren wollte – dass Herr Mützenich als Fraktionschef einer Regierungspartei auch gerne erfahren würde, was die Bundesregierung dazu bewegt haben könnte, den Iran gemeinsam mit Frankreich und den Fake-News-Experten USA und Grossbritannien zum Schuldigen der Drohnenangriffe auf saudische Ölanlagen zu erklären. Das neue “Beweis” heisst im heutigen Orwell-Polit-Sprech: “keine andere plausible Erklärung”. Das erklärt weder Nato, noch EU (ob mit oder ohne Brit*inn*en; da gibt es wohl weiter verschiedene Meinungen), auch nicht die Teilnehmer des von den USA ja schon aufgekündigten Atomabkommens mit Iran, sondern diese merkwürdige Viererbande. Ist das Motiv der französischen und deutschen Regierung, die andern beiden vom Amoklauf abzuhalten? Die einzige Option, die noch zu ertragen wäre. Mann und Frau wüsste gerne mehr in einer Demokratie. Wo ist eigentlich Maas?
Jürgen Trittin sprach dann zur heute anstehenden Fraktionsvorstandswahl der Grünen im Bundestag. Er predigte eine Lehre heutiger Fußballtrainer, die in der Tat auch in diesem Fall anwendbar ist: entscheidend ist immer Teamfähigkeit und -leistung.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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