Das Wahlergebnis in Thüringen hat Bodo Ramelow und die Linke für eine gute Politik in den vergangenen vier Jahren belohnt. Leider kamen weder die SPD, noch die Grünen mit ihren Themen durch. Um so erschreckender die Erfolge für den Faschisten Höcke, der mit seiner AfD, die auch in Thüringen als trojanischem Pferd für Neonazis fungierte, zweitstärkste Partei werden konnte. Allerdings nicht dieser Skandal, sondern ewiggestriger Antikommunismus und ideologische Scheuklappen im Verhältnis zur Linken beherrschen seitdem CDU und FDP. Das lässt an ihrem Realitätssinn zweifeln.
Dass die SPD im Umfrage- und Wählerstimmentief verbleibt, scheint trotz aller Anstrengungen in der GroKo in Berlin bleibender Dauerzustand. Die positiven Ergebnisse der Koalition sind nicht bekannt, Außenminister Maas stümpert in der Türkei herum und selbst abgehalfterte Player wie Sigmar Gabriel, den derzeit Gerüchte umwabern, er könne der nächste Cheflobbyist der Automobilindustrie werden, schaden ihrer Partei auch ohne politische Ämter. Dass die Grünen nur knapp in den Landtag einzogen, wundert vor allem deshalb, weil es in Thüringen einen lokalen Konflikt über die Windenergie gegeben hat, den die Grünen nicht verstanden haben, als Hindernis für den Erfolg der Energiewende darzustellen, und so ihre Wähler*innen besser zu mobilisieren. Allerdings ist die thüringische Landesverfassung so gestaltet, dass die amtierende Regierung weitermachen kann, bis eine stabile Mehrheit möglich ist.
Ideologischer Antikommunismus und Blindheit nach rechts
Dass angesichts einer rechtsextremistischen AfD das Zustandekommen einer handlungsfähigen Regierung wichtigstes Ziel von Demokraten sein muss, scheinen weder Teile der CDU, noch vor allem die FDP begriffen zu haben. Wer die heutige Diskussion in Berlin verfolgt hat, kann nur mit dem Kopf schütteln. Da werden die ewiggestrigen Argumente und ein Antikommunismus hochgespült, der über die ideologische Verblendung seiner Vertreter mehr aussagt, als über die Realpolitik der Linken. Diese wolle ja “den Sozialismus” wieder errichten, schreien einige CDU-Genossen aus Berlin, angesichts der durchaus realistischen Signale der Gespächsbereitschaft, die ihr Spitzenkandidat Mohring nach der gestrigen Wahl heute ausgesandt hat. In staatspolitischer Verantwortung hat der Mann recht, auch wenn es wohl in ihrem eigenen Interesse nicht wünschbar sein kann, wenn die CDU, die ja die zwei Drittel der Wähler von der AfD in Zukunft zurück gewinnen möchte, die ihr Kreuzchen diesmal bei Faschist Bernd Höcke gemacht haben, aber damit nur einen “Denkzettel” verpassen wollten.
Um so mehr ist bedenklich, dass ein Kontaktverbot mit dem bürgernahen und realpolitischen Ramelow, der und dessen Mann/Frauschaft auch als Sozialliberale durchgehen würden, von CDU und auch von der FDP künstlich zu Kommunisten aufgeblasen und zelebriert werden, wie die Angst des Vatikans vor weiblichen Priesterinnen. Dabei schadet sich vor allem die FDP wieder einmal selbst. Aufgrund des Wahlergebnisses ist es offensichtlich, dass eine handlungsfähige Regierung nur mit einem Bündnis von Rot, Rot Grün und Gelb möglich wäre. Bereits bisher waren in dieser Regierung zwei Minister*innen und ein Staatssekretär ehemalige Mitglieder der linksliberalen Jungdemokraten – bis 1982 Jugendorganisation der FDP. Für eine Verstärkung eines liberalen Einflusses in der Regierung also eine gute Voraussetzung. Aber um so vernagelter hatte bereits am Wahlabend Christian Lindner die Parole ausgegeben, eine Zusammenarbeit weder in Form einer Koalition, noch einer Tolerierung komme für die FDP in Frage.
Die FDP bringt sich selbst unter Druck
Ob das der FDP nützt, ist zu bezweifeln. Er ist bereits dabei, die FDP in eine vergleichbare Situation hinein zu manövrieren, wie nach dem Scheitern von “Jamaica” 2017 – diesmal sogar ohne, dass es zu Versuchen kommt, etwaige Gemeinsamkeiten auch nur auszuloten. Ihr Parteichef ist dabei, seine gerade aus ihrem Tief wegen seiner Regierungsverweigerung heraus gekommene FDP wieder in die Falle der parteiegoistischen Verantwortungslosigkeit zurückzuführen.
Ausschliesseritis, das haben schon die Wahlen in Brandenburg und Sachsen gezeigt, führt angesichts der realen Gefahren seitens der AfD in eine politische Sackgasse. Mike Mohring hat das nun zu spüren bekommen und versucht, zurück zu rudern. Verweigert sich die FDP in Thüringen wieder und dies angesichts objektiv so zwingender Wahlergebnisse, muss das Vertrauen in führende FDP-Funktionäre und ihren Blick über den parteipolitischen Tellerrand hinaus weiter sinken. Sie scheinen sich damit zu begnügen, die FDP auf ihre Funktion als Blockpartei des konservativen Lagers festzunageln. Was das für eine zukünftige Politik unter erschwerten Bedingungen faschistoider Bedrohungen von rechts bedeutet, ist noch nicht abzusehen. Deutlich wird aber auch eines: Die Führungskräfte der FDP verharren lieber in vermeintlichen ideologischen Grabenkämpfen, vorzugsweise mit Grünen und Linken, als sich im Interesse praktischer Vernunft und Verantwortung des ganzen Landes an einer Regierung zu beteiligen, die gerade aufgrund des breiten Spektrums spannend werden könnte.
Lindner verhält sich damit 50 Jahre nach der Gründung der sozialliberalen Koalition in Bonn ganz ähnlich, wie die damaligen Rechtsaußen der FDP, wie Mende, Zoglmann und Kienbaum, die in nationalistischer und konservativer Erstarrung die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollten und damit die FDP fast um ihre Existenz brachten. Die FDP-Oberen meinen wohl, mit den Vermögen von LDPD und Bauernpartei im Rücken ließe sich auch eine zweite Legislaturperiode außerhalb des Bundestages überwintern. Sie könnten sich täuschen, denn die Geschichte schreitet darin fort, über ideologische Scheuklappen hinweg zu gehen.
Letzte Kommentare