Vorab zur Klarstellung: Ich bin der Meinung, dass wir eine Verkehrswende brauchen, dass viel mehr Menschen in den Metropolen aufs Auto verzichten oder dasselbe teilen können und der ÖPNV Vorrang braucht. Aber ich bin auch überzeugt, dass wir auf dem Land (ich wohne in Bornheim) für Familien und für ältere oder behinderte Menschen weiter Autos brauchen. Aber eben andere, als uns derzeit angeboten werden. Am vergangenen Donnerstag konnte ich ein ziemlich intelligentes Auto fahren, das ich sofort und unbedingt haben möchte, das ich wahrscheinlich nicht bekommen werde und das obendrein fast keine Chancen hat, sich am Markt durchzusetzen. Das Teil heisst “GLC F-Cell” und der Hersteller sitzt in Stuttgart – Porsche isses nicht. Deshalb ist das Vehikel auch eher von Vernunft und ökologischer Überzeugung geprägt, als von Drehmoment und Profitinteresse – und genau da liegt seine Schwäche.

Nun macht dieser Hersteller seit 12 Jahren erfolgreich einen “Sustainability Dialogue”, wo er mit seinen schärfsten Kritikern hinter verschlossenen Türen streitet und daraus lernt. Ein Ergebnis ist offensichtlich dieses Fahrzeug, das recht schlicht daher kommt. Ein handelsüblicher GLC – der zweitkleinste von fünf SUV-Klassen, der – konstruktiv bedingt – genutzt wurde, um die Drucktanks für den Wasserstoff unter der Rücksitzbank und im Kardantunnel unterzubringen und anstelle des Motors vorn die Brennstoffzelle an denselben Motor-Befestigungspunkten – ein weltweit einzigartiges Konzept der Kombination von Brennstoffzelle und Hybrid. Neben 4,4 Kg Wasserstoff, die etwa 420 km Reichweite mit Brennstoffzelle ermöglichen, hat das Fahrzeug zusätzlich 10,5 kW/h Hybrid-Batterien mit Reichweite von etwa 50 km. Eine Konsequenz angesichts der Tatsache, dass es in Deutschland kaum Wasserstoff-Tankstellen gibt. Daimler erforscht, entwickelt und arbeitet an der Brennstoffzelle als einziger deutscher Hersteller seit 1994.

Erste Runde: gescheitert an Erpressung der Ölkonzerne

DaimlerChrysler (A-Klasse), Ford (S-max), VW (Touran) und GM (Opel) stiegen 2004 aus einem gemeinsamen Brennstoffzellen-Projekt in Kalifornien aus, nachdem die Ölkonzerne die gesamte Automobilbranche erpressten, weiter Verbrenner zu bauen. Sie weigerten sich einfach, für die von den vier Konzernen gemeinsam erforschten Brennstoffzellen in Autos Methanol an ihren Tankstellen zur Verfügung zu stellen. Die Autos dafür waren bereits konstruiert. Angeblich war kein Geld für die Investition in zusätzliche Zapfsäulen da – Monate später – bis heute –  verkaufen dieselben Konzerne zu überhöhten Preisen ihren wirkungslosen “Ultimate 100” Sprit oder “Ultra Diesel” – an zusätzlichen Zapfsäulen an Dumme und Reklamegläubige. Doch zurück von der Realität der Energiemonopole und internationalen Mineralölkonzerne, zurück zu seinem Ergebnis schwäbischer Ingenieurskunst und tüftlerischen Fleisses.

Spassfaktor mit Energierückgewinnung

Das Brennstoffzellen-Auto fährt sich prächtig: Lautlos, der 160 kW – 211 PS – Elektromotor  beschleunigt die rund 2 t. flott und zügig, es hat innen Platz ohne Ende, einen hundefreundlichen Kofferraum – bei 160 km/h ist elektronisch abgeregelt Schluss – das reicht völlig aus. Ein Auto der Vernunft eben. Ist der GLC F-Cell leer und hat er eine H² Tankstelle in Reichweite, dauert der Tankvorgang schlappe 15 Sekunden. Faszinierend ist die Rekuperation, die mittels Schaltpaddels am Lenkrad verstärkbar ist, die Fahrer*innen können mittels Energie-Rückgewinnung fast besser bremsen, als mit der “normalen” Scheibenbremse. Daraus ergeben sich ganz andere Erlebniswelten für Menschen, die gerne Autofahren. Ökologisch vorausschauend fahren macht richtig Spaß – viel mehr, als anderen Verkehrsteilnehmern im Nacken zu sitzen. Alle Spielzeuge moderner Autos wie Abstandsradar, Navi, Entertainment, alle möglichen Assistenzsysteme usw. sind vorhanden, Komfort und Wertigkeit markengemäss. Das Auto ist zu haben für einen Spottpreis, verglichen mit fetten Dienstwagen, die sich immer noch  im 1.000€ Leasing-Bereich bewegen: Vollversorgung und Werkstattbetreuung inklusive Service für 799 €/Monat – nur noch der Wasserstoff und die Versicherung kommen oben drauf. Trotzdem wird der Brennstoffzellen-Mercedes vermutlich kein Marktrenner sein. Denn ein Auto der Vernunft hat kaum Marktchancen, weil es das Kleinhirn vieler Nutzer nicht anspricht.

Ökologisch nur mit Wasserstoff aus Öko-Energie

Dass die Brennstoffzelle nur mit H² aus erneuerbaren Energien sinnvoll betrieben werden kann, ist keine Frage. Aber es ist ebenso unbestritten, dass batteriebetriebene Autos mit Strom aus Braunkohlekraftwerken keinerlei ökologischen Nutzen haben – schließlich rechnet sich der CO² Rucksack der Lithium-Ionen-Batterien der reinen Batteriestromer gegenüber einem Diesel erst nach 120.000 km Laufleistung. Aber die Brennstoffzelle kann eben noch nicht auf ökologisch erzeugten Wasserstoff zurückgreifen, der aus Windkraftanlagen gewonnen werden könnte, wenn diese – wie es so oft geschieht – ihren Strom nicht einspeisen können und deshalb die Rotoren auf “Segelstellung” stellen. Stattdessen könnten sie Wasserstoff produzieren. Diesem fehlenden Teil intelligenter Energiewende fehlt derzeit und deshalb könnte ihm auch in absehbarer Zeit das Brennstoffzellenfahrzeug zum Opfer fallen. Das ist kein unglücklicher Zufall, sondern zwangsläufige Konsequenz einer halbherzigen und im Grunde von der Politik nicht wirklich gewollten Energiewende.

Wofür steht die Batterie-Technik?

Verglichen mit dem Elektroauto aus gleichem Hause schneidet die Brennstoffzelle eher bescheiden und vernünftig ab. Betrachten wir uns einmal die Werte des Elektroautos Mercedes EQC. Die modifizierte Plattform ist ebenfalls der GLC – allerdings ausgestattet mit einer Batterie von 650 kg und kommt deshalb im Gegensatz zum F-Cell auf 2,42 Tonnen – 300 kg mehr. Das kompensiert der EQC mit gleich zwei Elektromotoren, die insgesamt 300 kW oder 408 PS abgeben. Höchstgeschwindigkeit auf 180 km/h gedrosselt. Auch der EQC verspricht etwa 450 km Reichweite – falls es ausreichende Schnellladesäulen gibt, ist zum Tanken eine dreiviertel Stunde erforderlich, sonst sind 4-6 Stunden an der Steckdose angesagt. Und dann sind da noch die 120.000 km ökologischer Rucksack, nach dessen “abfahren” die Batterieautos erst in der Ökobilanz besser sind, als der Verbrenner. Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass immer Ökostrom getankt wurde und nicht der Mix aus Öko- und Braunkohlestrom, der in Deutschland vorherrscht. Also alles in allem eine Art mittelschwerer Transporter oder amerikanischen Station Wagon 4×4, allerdings mit Fahrleistungen eines Golf RS – aus ökologischer Sicht so überflüssig wie ein Kropf. Aber anders als beim F-Cell reagiert das Kleinhirn des Durchschnittkunden auf die Beschleunigungswerte begeistert.

Warum so viele Kilowatt?

Wer braucht eigentlich ein E-Auto mit über 400 PS? Bei der Marktbeobachtung der Elektroautos fällt auf, dass der Marktführer Tesla, der alle Autokonzerne aufmischt, beim relativ bescheidenen “kleine” Tesla 3 mit 462 PS die Maßstäbe setzt. Im Modell S stecken wahlweise 469, über 611 bis zu 700 PS, und 250 km/h Spitze. Die angeblichen Reichweiten liegen zwischen 280 und über 600 km – die Gewichtsangaben liegen um die 2,2 t. beim 700 PS starken S 85 D finde ich keine Angabe. Elon Musk ist ein kluger Kopf und er hat offensichtlich seinen Tesla über das Kleinhirn vieler vor allem männlicher Zeitgenossen in den Markt gedrückt, die sich von Beschleunigungswerten von 2,9 s. auf 100 km/h begeistern lassen und dafür 145.000 € auszugeben bereit sind. “Auto Motor und Sport” testete deshalb folgerichtig einen Tesla im Wettbewerb mit einem Mercedes S 63 AMG 571 PS-Benziner.

600 PS in zweieinhalb Tonnen sind ökologischer Schwachsinn

Elektromobilität, wie sie Tesla auf die Straße gebracht hat, mag durchaus eine interessante Ingenieursleistung beinhalten. Mit den Schwächen habe ich mich an anderer Stelle beschäftigt. Vom Standpunkt eines ökologischen, ressourcensparenden Automobils der Zukunft sind diese Vehikel kein Fortschritt. Nicht nur der ökologische und soziale Rucksack der Lithium-Ionen-Batterie lastet schwer – ihr Problem ist, dass ihr Prinzip ist, schwerste Energiespeicher zu bewegen, zu beschleunigen und abzubremsen – ein nicht besonders intelligenter physikalischer Vorgang. Dr. Axel Friedrich, vom damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel wegen seiner Aufmüpfigkeit in den Ruhestand versetzter Referatsleiter des Umweltbundesamts, plädiert dagegen dafür, kleine, leichte Autos zu bauen, mit Verbrennungsmotoren so sauber wie möglich und so klein wie möglich. Smart, Audi A2, Lupo 3 l haben gezeigt, dass das geht – ihre Entwicklung wurde nicht weiter verfolgt.

Vorfahrt für Vernunft

Ich werde mich für Vernunft entscheiden und darum werben, ein nicht so schnelles, nicht das Kleinhirn ansprechendes, aber spannend ökologisches Auto zu fahren. Der GLC F-Cell ist (noch) nicht das optimale Ökomobil, aber er ist innovativ, eine Alternative zur Batterie, ein guter Kompromiss und vor allem ein politisch-faktisches Plädoyer für die Vollendung der Energiewende, für die Ausnutzung des Stroms, der nicht eingespeist werden kann, zur Herstellung von ökologischem Wasserstoff und für eine vielfältige, wirklich technikoffene Energiewende. Und es ist wichtig, dass bekannt wird, dass nicht nur Japaner, sondern auch eine kleine verschworene Bande schwäbischer Tüftler seit 25 Jahren an einer interessanten Technik arbeitet, die sie heimlich und leise mit Vernunft zur Serienreife gebracht haben. Auch wenn selbst Ola Källenius, der Daimler-Chef, noch vorsichtig ist und zögert: Hätte Gottlieb Daimler 1885 aufgegeben, als ihn die Gasmotoren-Fabrikbesitzer in Köln-Deutz mobbten – vielleicht hätte Kaiser Wilhelm II mit seiner dummen These von der Überlegenheit des Pferdes recht behalten.

Hinweis: Ich bin bekennender Fahrer eines Euro 5 Diesel-Sportcabrios und Eigner eines 20 Jahre alten “Youngtimer” PS-Boliden aus der Produktion dieses Herstellers. Ich bin außerdem gelegentlich in geringem Umfang Berater des Bereichs Datenschutz der Daimler AG.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net