von Günter Bannas
Ein Wort, ein Unwort oder ein Ablenkungsmanöver? Oder ein Instrument aus dem Kasten derjenigen, die das Parlament für eine Schwatzbude halten, was in Deutschland eine ungute Tradition hat? Auf unbedachte Weise wird davon geredet, die Parteien seien nur mit „sich selbst beschäftigt“, wenn und weil sie über Richtung und Personal streiten und damit – angeblich – die Interessen und Belange der Menschen vernachlässigten. Besonders unbedacht ist es, wenn sogar führende Politiker den als Vorwurf oder auch als Selbstkritik verstandenen Terminus von der „Selbstbeschäftigung“ verwenden, sei es mit Blick auf innerparteiliche Auseinandersetzungen, sei es gegen den politischen Gegner gerichtet. „Selbstbeschäftigung“ – das klingt nach Arroganz und Ignoranz.
Weil in den vergangenen Monaten zumal die Volksparteien viel mit sich zu tun hatten, hat der Begriff eine üble Konjunktur. Doch haben die Parteien – voran CDU und SPD – gute Gründe, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Sie hatten schlechte Wahlergebnisse zu bewältigen, was in de Konsequenz überdies zu Debatten führte, ob die politische Richtung stimme, ob ihre Programme den Herausforderungen des Landes gerecht würden, ob ihr Spitzenpersonal dafür geeignet sei. Was denn sonst sollte die Folge davon sein, als dass sich die Parteien mit sich selbst beschäftigen? Umgekehrt muss es vielmehr ihre Pflicht sein, das zu tun. „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“, haben die Verfassungsväter vor gut siebzig Jahren ins Grundgesetz geschrieben. Es ist ein kluger Satz. Doch diese Mitwirkung hat Voraussetzungen. Die Parteien müssen dem Volk darlegen, in welche Richtung ihrer Meinung nach dessen Willensbildung gehen sollte.
In einer Demokratie sollten sie sich voneinander unterscheiden. Sie müssen neue Ideen aufgreifen. Sie müssen den Änderungen der Wirklichkeit gerecht werden. Sie müssen sich den neuen Formen politischer Kommunikation anpassen. Sie müssen, wenn die Zeit über Altvordere hinweggegangen ist, neue und jüngere Leute an ihre Spitze wählen. Am Anfang davon aber steht das „mit sich selbst beschäftigen“, wozu selbstverständlich auch gehört, jenen, die aufhören, auch wirklich und nicht nur so dahergesagt zu danken. Nur Parteien, die sich mit sich selbst beschäftigen, gehört die Zukunft.
Das sollten ihre Leute beherzigen, wenn sie in Talkshows oder im Bundestag auftreten.
Günter Bannas ist Kolumnist des HAUPTSTADTBRIEFS. Bis März 2018 war er Leiter der Berliner Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus “DER HAUPTSTADTBRIEF AM SONNTAG in der Berliner Morgenpost”, mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion.
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