Familien Trump, Windsor u.a.: Stimmung unterm Gefrierpunkt
Alle Welt redet von der Klimaerwärmung. In Bonn brach gestern der Frühling aus; den Nachtisch-Espresse nahm ich im Freien ein. Ganz anders in den Familien der Kunden von Jeffrey Epstein: sie haben an den Feiertagen wohl nur das Nötigste miteinander geredet; es herrscht Eiseskälte. Zu Recht.
Wenn Sie sich vor Ekelgefühlen fürchten, lesen Sie bitte woanders weiter. Es wird gleich extrem widerlich. Und es wird mir schwerfallen sachlich zu bleiben. Ich versuchs.
Von Mr. Epstein ist bekannt, dass er tot ist. Wie er totgegangen ist, darüber gibt es drei Ermittlungsverfahren. Öffentlich erklärt wurde, es sei Selbstmord gewesen. Ebenso bekannt ist, dass er sexuelle Dienstleistungen angeboten und verkauft hat, an so ziemlich die mächtigsten und berühmtesten Männer der Welt. Seine leitende Angestellte war die Tochter und Erbin von Robert Maxwell, über dessen Ableben die Informationslage so ähnlich war, wie heute über Mr. Epstein. Der Aufenthaltsort der polizeilich gesuchten Ghislane Maxwell wird als “unbekannt” angegeben. Eine nahezu vollständige Zusammenfassung der öffentlichen Erkenntnisse gibt hier Carolina schwarz/taz.

Das Epstein-Menschenbild ist – neben Frauenhass – hochkonzentrierter “reiner” Faschismus und Rassismus

Als wenn das nicht schon vollauf “genug” wäre, gibt es einen Aspekt, den die meisten Medienberichte weglassen, der den Epstein-Abgrund aber geradewegs in Richtung Hölle führt. Aufmerksam darauf machte Roland Appel und mich einer von Rolands Beratungskunden. Die Zeitschrift Gala fasse ich gewöhnlich aus Desinteresse und Zeitersparnis nie an. Beim Arzt im Wartezimmer greife ich zu Stadt-Anzeiger, Spiegel, und Stern, und spätestens dann bin ich dran. Gala meldete bereits vor Weihnachten Folgendes (bitte steigen Sie spätestens jetzt aus, wenn Ihnen nicht übel werden soll): “Jeffrey Epstein träumte davon, die Menschheit zu verbessern und wollte dazu zeitgleich 20 Frauen mit seinem Sperma befruchten, um Babys in die Welt zu setzen. Schauplatz sollte seine Ranch in New Mexico werden. Das berichten zwei preisgekrönte Wissenschaftler und ein Unternehmensberater der “New York Times”. Der Informatiker und Schriftsteller Jaron Lanier teilte der Zeitung seine Vermutung mit, dass Epstein – ein verurteilter Pädophiler – Dinnerpartys dazu benutzte, um attraktive Frauen mit beeindruckenden akademischen Qualifikationen als potenzielle Mütter für seine Kinder kennenzulernen. Ob Epstein selbst mit den Frauen schlafen wollte oder sie künstlich befruchten wollte, ist nicht bekannt.”

Japanische Porno-Fiktion und Wirklichkeit – Epstein hebt den Unterschied auf

Mich erinnert dieser Plot an eine japanische Pornoserie, die exakt in jener Zeit auf den Markt kam. Ich erwähnte schon mehrmals, dass die japanische Pornoproduktion die kalifornische ökonomisch und in ihrem Extremismus überrundet hat. Sie profitiert von dem viel höheren Bigotterie-Faktor in Japan. Das Land erlernt erst seit 1945, was Demokratie ist, und kam geradewegs aus feudalistischen Strukturen. Heute gibt es nirgendwo auf der Welt weniger Sex (und weniger Kinder); im umgekehrten Verhältnis umso mehr Prostitution, Pornokonsum und Millionen junge (und mittelalte) Männer, die nicht nur nicht zuhause ausziehen, sondern auch ihr Zimmer nicht mehr verlassen – “Hikikomori”. Hier dazu einige Hintergrundberichte von telepolis. Ein Paradies für die Yakuza, die all diese “Märkte” kontrolliert. Anders als die kalifornische Konkurrenz wird sie auch nicht durch angebliche “Kostenlos-Kultur” des Internet gefährdet, sondern nutzt seine Möglichkeiten: für 80 US-Dollar im Monat macht eine Einheitsplattform 265.000 Filme, also mehr als Sie und ich zusammengerechnet in einem Leben eingesperrt in unserem Zimmer gucken könnten, in voller Länge digital zugänglich. Bei der Frage, ob Sie schon 18 sind, müssen Sie nur einmal auf “Yes!” klicken.
Was die Organisierte Kriminalität Japans als perverse Fantasie in einen fiktionalen Film packt, das scheint Mr. Epstein – Gala zufolge, und die bezieht sich auf die New York Times – nachgespielt zu haben. Ihm ist entgangen, was meine Eltern mir als 5-jährigem bei Einführung unseres ersten Schwarz-Weiss-Fernsehers in unseren Haushalt beibrachten: wenn im Western Leute totgeschossen wurden: “Das ist nur ein Film!”. Und wenn Werbefernsehen kam: “Die wollen uns belügen, damit wir ihren Scheiss kaufen!” Ein wichtiges Fundament an Medienkompetenz, das dem kleinen (oder grossen) Jeffrey, als er seine ersten Pornos guckte, wohl nicht vergönnt war. Es zeigt aber darüber hinaus die grenzenlose Hybris der heute wahrhaft Mächtigen, die sich gegenüber dem Rest der Welt, gegenüber Polizei und Rechtsstaat für unverwundbar halten. Sie fühlen sich in einer abgeschlossenen, dem niederen Pöbel unzugänglichen, Parallelwelt. Selbst ihre selbstkritischen Elemente glauben, Wohl und Wehe dieser Welt hänge nur von ihrem Ego ab.

Soll Meghan Markle als “böse Schwiegertochter” den Hals von Andrew Windsor retten?

Im Fall Epstein geht es nicht “nur” um kriminellen Frauenhass und Gewalt. Gewiss auch um Nachrichtenhandel und Erpressung. Es geht ausserdem um ein zutiefst rassistisches und faschistisches Menschenbild, mit dem sich anzufreunden zahlreiche Mächtigste dieser Welt zu Lebzeiten des Mr. Epstein kein Problem hatten.
Rolands Kunde vertrat die “Verschwörungstheorie” – ein unangemessenes diskursives Schimpfwort, denn manche Verschwörungen gibt es leider wirklich – die Inszenierung des Megxit habe in erster Linie der Verdeckung des Skandalbeteiligten Andrew Windsor gedient. Allzu plausibel. Aber wird diese Rechnung aufgehen? Ich glaube nicht.
Es könnte genauso passieren, dass die Aufdeckung der Verbrechen des toten Jeffrey Epstein und seiner (noch) überlebenden Freunde im US-Präsidentschaftswahlkampf erst so richtig heiss wird. Es träfe sicher keine Falschen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net