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Glückwunsch Werder

Das war heute ein überraschend ansehnlicher Pokalabend. Und nicht zu erwarten war für mich, dass ausgerechnet Werder Bremen meine BVB-kritischen Thesen heute schon bestätigte (Spielbericht). Die hochveranlagte Talentetruppe des BVB ist als Team nicht stabil genug, um gemeinschaftlich nicht nur bei eigenen Toren zu glänzen, sondern auch Gegentore, eine weit anstrengendere und mit weniger Medienglanz umrankte harte Arbeit, zu verhindern. Teams, die als Kollektiv funktionieren, schaffen beides – und werden dann Meister, Pokal- oder Champions-League-Sieger.
In der Halbzeitpause führte ich in meiner Fußballkneipe ein interessantes Gespräch mit einem Fußballlehrer des Fußballverbandes Mittelrhein. Demnach regiert im DFB eine regelrechte Planwirtschaft, was Direktiven der Jugendfussball-Ausbildung betrifft. Beim WM-Debakel 2018 wurde festgestellt, dass es an Spitzenspielern fehlt, die 1:1-Situationen in der Weltklasse wagen und gewinnen können. Also wird bis in die D-Jugend (unter 13!) hineindirigiert, dass die das jetzt üben müssen. Auch zu Lasten des Spiels im Team. Im Mannschaftssport Fußball. Dem Hyper-Individualisierungsstress des Turbokapitalismus wird so – realistisch? – Rechnung getragen. Und die fussballerische und politische Lehre, Voraussetzung auch für eine gelingende Integrationsarbeit, “Gemeinsam sind wir stark!” wird zu Grabe getragen.
Das führt dann dazu, dass Spieler, die an einem 5:0-Sieg teilgenommen haben, dennoch sauer sind, nur weil sie nach einer Stunde für frischere Mitspieler ausgewechselt werden.
Werder hat mich 2016 nachhaltig beeindruckt. Am letzten Spieltag wurde mit einem 1:0 (88. Minute gegen Frankfurt) der Klassenerhalt gerettet, in einer gemeinschaftlichen Anstrengung der ganzen Stadt. Das Publikum hat seinerzeit die Mannschaft zu diesem Sieg getragen und gezwungen. Viele Wunder wurden im Stadion des Stadionsprechers Arnd Zeigler zur Wahrheit, heute also wieder. Den geplagten Bonner Werder-Fans Katja Dörner, Till Winkelmann und Claus Linke ist das zu gönnen. Im Alltag steht Werder jedoch auf dem Relegationsplatz, und muss mit Paderborn, Düsseldorf und Mainz den Abstieg ausspielen. Der Abend heute hat nur gezeigt, dass es möglich ist. Die Mannschaft ist noch nicht “tot”, dieser Beweis wurde heute erbracht. Ob sie auch mehrmonatigen Stress durchzustehen vermag, bleibt offen. Wie beim BVB.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Dietmar Strehl

    Lieber Martin, danke für die Glückwünsche. Ich war am Dienstag selber im Stadion und habe zunächst miterlebt wie ein großes Erstaunen durch die Tribünen ging, als Werder 2:0 führte – das gab es lange nicht mehr im Weserstadion. Als dann aber der Abpfiff kam, merkte man das ganz große Aufatmen aller Werder – Fans. Die Mannschaft kann es noch!!!
    Aber du hast Recht, entscheidend wird sein , dass wir endlich vom 16.Platz wegkommen – und zwar nach oben.
    Liebe Grüße nach Bonn
    Dietmar

  2. gert

    Als BVB-Fan habe ich viele Spiele in Dortmund gegen Werder gesehen. Allesamt waren klasse Fußballspiele, hart umkämpft und nicht immer gewann die bessere Mannschaft – das gilt auch für BVB-Siege. Am Dienstag war die erste Halbzeit des BVB eine Frechheit und erinnerte mich ganz stark an die erste Niederlage in der Saison 2018/19 in Düsseldorf: Ein Fehler wurde eiskalt zum 1:0 ausgenutzt und das zweite Tor war ein grandioser Schuss, der dem Schützen in den folgenden zehn Jahren kein zweites Mal gelingen wird.
    Mit etwas Übersicht hätte Werder zur Pause auch 3:0 führen können. Doch die zweite Halbzeit zeigte das BVB-Team wieder mal das ganz andere Gesicht. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann das Anschlusstor fallen würde. Das dauerte allerdings zu lange, zu viele gut herausgespielten Chancen landeten nicht im Tor. Zudem bestraften die Bremer mit ihrem einzigen torgefährlichen Angriff in der zweiten Halbzeit die Dortmunder Fahrlässigkeit mit dem 3:1. Das Tor des Tages erzielte ein 17jähriger, frech und grandios wie ein Weltklassespieler. Und weitere Chancen wurden einmal mehr vom immer gegen den BVB glänzenden Pavlenka pariert. Wenn man aus sechs, sieben großen Chancen nur zwei Tore macht und der Gegner aus vier dagegen drei Tore erzielt, darf man sich nicht beklagen. Glückwunsch an Werder und viel Erfolg bei den folgenden Bundesligaspielen – außer am 22. Februar, dann braucht der BVB dringend Punkte, wenn es mit der Meisterschaft klappen soll.

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