Heute erwartet eine gute Freundin ein Laborergebnis. Wenn es “positiv” ist, werde ich selbst zur “Kontaktperson” einer “Kontaktperson”. Wenn es “negativ” ist, ist es ein gutes Zeugnis, zunächst für sie, sich richtig verhalten zu haben: keine Körperflüssigkeiten austauschen, kein Händeschütteln, sich nicht Anhusten oder -niesen, alles immer gut waschen und sterilisieren. Bei unseren Politiker*inne*n klappt das leider kaum.
Ihnen geht es um Symbolik. Von der Lebenswirklichkeit verstehen sie nichts. Von der werden sie abgeschirmt, bis hin zu den Bundestagstunnels unter den Strassen von Berlin. Unsere Rüstungsministerin, die uns ihrer offiziellen Bezeichnung gemäss “verteidigen” soll, treibt z.B. heute morgen die Sorge um – neben der Feststellung, dass bei Flüchtlingen Humanität “nicht ausgeschlossen” sein solle – “wenn Großveranstaltungen abgesagt werden, dann hat das natürlich Rückwirkungen auf ganze Branchen und da muss Liquidität auch sichergestellt werden.”
Diese Frage spitzt sich in NRW jetzt zu, wo übermorgen das Rheinlandderby und nächstes Wochenende das Ruhrpottderby anstehen. Sie sind einsame Höhepunkte des Fußballjahres, das ohne sie an Massenattraktion verlieren würde. Diese Spiele sollen, so wird nun ernsthaft erwogen, als “Geisterspiele” ohne Stadionpublikum durchgezogen werden, damit der aus Profitgründen europa- und weltweit engst getaktete “Fußballterminkalender” auf dem kaufkräftigsten Markt Europas nicht zusammenbricht. Es lauern schlimmste Gefahren für die Liquidität von Fifa, Uefa, DFB, DFL und die Fußballkonzerne in Mönchengladbach, Dortmund und Gelsenkirchen, die an ihren Standorten zum “grössten Arbeitgeber” der Kommune gewachsen sind.
Dagegen können ein paar grippekranke Menschenleben nicht anstinken. Die 55.000 in Mönchengladbach und die 80.000 in Dortmund werden sich zu den paar Millionen gesellen, die das Spiel in den Pay-TV-Kneipen glotzen werden. Das Pay-TV (und die Wettmafia) ist es nämlich, weit weniger das Stadion, das das Business am Kacken hält. Und auf diese Weise auch die Virusverbreitung beschleunigt: denn in engen geschlossenen Räumen “gelingt” das weit effektiver, als im zweifellos ebenso engen, aber nach oben offenen Stadion. Und hat sich in den letzten Wochen nicht sowieso erwiesen, dass die Stadionfans das Einzige sind, was die Kapital- und Geldwaschmaschine Fußball am reibungslosen Funktionieren stört?
In Italien versuchen sie sich mit der “Vorschrift” zu behelfen, in der Gastronomie jedem Gast einen Meter Abstand zuzusichern. Haben wir gelacht. Welches Ordnungsamt soll das denn wohl durchsetzen, mit wie vielen Mitarbeiter*innen? Und welcher Gastwirt schafft das gegen begierige umsatzbringende Gäste durchzusetzen? Aber was wissen Politker*innen davon? “Die Liquidität muss sichergestellt werden.”
Letzte Kommentare