Rette-sich-wer-kann in Politik und Fußball / Wie Tsipras: der Genosse Sanchez soll hängen (gelassen werden)
Für das Virus sind alle gleich? Der Mensch wäre nicht Mensch, wenn er dieser Natur nicht ein Schnippchen schlagen würde. Er verwandelt das Virus mit schlichtesten Mitteln zu einem Turbo zur Spreizung und Beschleunigung bestehender Klassenverhältnisse. Und wiederum lässt sich das am Beispiel des Fußballs lernen. Der heimliche RWE-Fan Friedrich Küppersbusch brachte seine Liebe heute virtuos in seiner taz-Kolumne (“Und was machen die Borussen”) unter: in der Vierten Liga versuchen sie sich mit virtuellen Stadionwürsten zu retten. Hauptgedanke ist sicherlich, auf die Weise Aufmerksamkeit für seine Not zu erregen, eine Chance die vielen anderen nicht vergönnt ist.
Insofern ist der Fußball erneut privilegiert. Und doch zeigt er nicht nur die bestehenden Klassengegensätze, sondern auch seine vielen Querverbindungen zum wahren Leben. In der Vierten Liga (und darunter) kommt die Masse der armen Vereine ganz gut damit klar, sich derzeit um anderes als den Spielbetrieb kümmern zu müssen. Was sie dagegen fürchten ist der Medien-Ehrgeiz der Konkurrenten, die wie RW Essen, Kickers Offenbach u.v.a. meinen, sie seien in der Vierten Liga falsch und zu Höherem berufen: Medienaufmerksamkeit und Wiederherstellung der Kapitalströme von TV-Anstalten und Sponsoren.
Die Fußballprofis in England werden aktuell genüsslich nicht nur vom rechtsradikalen Murdoch-Boulevard, sondern auch von “seriösen” Medienmühlsteinen zermahlen – es gibt ja sonst nichts zu melden … Zentrum des Medien-Hurricanes ist Liverpool, von wo die ZDF-Sportreportage gestern noch ein zu Tränen rührendes Vor-Corona-Stück (Autor: Klaus Fiedler) lieferte. Ausgerechnet das Klassenblatt FAZ liess mit Marcus Ebberich ein tatsächlich seriös journalistisch gearbeitetes Stück zum Klassenkampf im England-Fußball durch (wenn sie es nicht im Laufe des Tages noch in eine Paywall vermauert).
An gleicher Stelle findet sich David Alaba mit weiteren schwarzen Arbeitskollegen, die auf die Praxis rassistisch grundierter Menschenversuche aufmerksam machen, von den verarbeitenden Nachrichtenagenturen aber flugs in ein PR-Stück für die wenig darbende Gates-Stiftung verwandelt.
Wie rassistisch ist das Virus?
Nach allem, was ich weiss, überhaupt nicht. Was das Virus nicht schafft, das schafft halt die menschengemachte Ökonomie.
Da sind zum einen die deutschen Sozialdemokraten, deren Sinnen und Trachten am Beispiel der Genossen Scholz und Maas immer noch darauf fixiert ist, Genoss*inn*en, die es wagen, mit Kräften links von sich selbst Koalitionen zu bilden, konsequent politisch und ökonomisch verhungern zu lassen. Selbst in der Viruskrise, gerade dann. Spanien, Italien, selbst das vom neoliberalen Macron regierte aber seit 1789 potenziell immer revolutionsverdächtige Frankreich, sollen ihre Probleme mit dem globalen Kapitalmarkt selber lösen. Dass die EU dabei zerstört wird, Kollateralschaden, schade eigentlich, aber als deutscher Hausfrauen-Sachzwang nicht zu ändern.
Wie kann das Virus nun sein rassistisches Potenzial entfalten? Imgrunde genau so, wie es die deutschregierte EU macht, und übrigens auch ihr Mercosur-Abkommen-Freund und Regenwald-Abbrenner Jair Bolsonaro: wer nicht vom Virus dahingerafft wird, verhungert halt, oder stirbt an was anderem.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net