Klasse-Text zur Viruskrise mit schlechten Zensuren für den Journalismus
Schau an, schon wieder Carta. Professor Michael Haller, der auch in diesem Blog schon einen Gastauftritt hatte, hat bei mir als Neueinstieg den Platz 1 meiner Lese-Respekt-Liste erobert. Haller polarisiert nicht, bevorzugt den cool-analytischen Gestus, verbirgt darin gelegentlich dennoch politische Urteile, auch strenge Verdikte, die aller Coolness zum Trotz zum Streit einladen. Und daran besteht hierzulande ja ein akuter Mangel.
Kostprobe: am Ende seines Kapitels “Was wissen wir – und woher?” kommt Haller zu dem Ergebnis: “Man weiß nichts über die Zahl der inzwischen Geheilten und vermutlich Immunisierten. Die Fallzahlen positiv getesteter Personen erlauben keine Aussagen darüber, wie sich die Pandemie entwickeln wird. Deshalb können seriöse Epidemiologen bis heute auch keine Prognose geben, wann und wie die harten Beschränkungen des Shutdown gelockert werden, eine Ungewissheit, mit der viele Medienmacher, insbesondere die Moderatorinnen der ARD-Talksendungen nicht klarkommen. Und nicht zuletzt ist die nicht vorhersagbare Sozialverträglichkeit der verordneten Kontaktsperre und – damit verbunden – die psychische Belastbarkeit großer Teile der Bevölkerung die unbekannte, zugleich die entscheidende Größe.”
Nehmen Sie sich die Zeit für den ganzen Text. Wenn Sie nicht zu den billig bezahlten “Held*inn*en” gehören, haben Sie die ja jetzt reichlich.
Ansonsten empfehle ich die – bisweilen auch kontroverse – Berichterstattung der Kolleg*inn*en von telepolis, deren Blick täglich weit über deutsche Borniertheit hinausreicht. Wenn Ihnen telepolis zu links ist, bietet sich als Alternative das “Corona-Dossier” der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) an. Dort wird Polemik in der Regel nur diplomatisch verklausuliert geboten, um den gesamten Hauptstadtdiskursmarkt in Berlin zu erreichen, und immer ein Blick in die Welt über nationale oder mitteleuropäische Horizonte hinaus.
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