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Italien, so fürchte ich, wird in der Nach-Corona-Zeit paradigmatisch für das Zerbrechen der Europäischen Union stehen. Das Virus ist dafür nicht der Grund, “nur” der Katalysator. Zerstörer ist Deutschland. Der Anfang wurde mit Griechenland gemacht. Das war zu klein, um den Bestand der ganzen EU zu gefährden, aber intern eindrucksvoll genug für die anderen Staaten. Multinationale Grossbanken wurden aus ihren unternehmerischen Risiken gerettet, und Staat, Regierung und Volk Griechenlands mussten grosse Teile davon ausbaden. Damals wurden keine Statistiken geführt, wieviele Alte, Vorerkrankte, u.a. das mit ihrem Leben bezahlen mussten. Der deutsche Bundesfinanzminister Schäuble war stark genug, gewählte griechische Regierungen und Volksentscheide zu überstimmen.
Italien, Spanien und Frankreich, die gegenwärtigen europäische Corona-Krisenzentren, haben das seinerzeit bereits miterlebt, konnten und wollten gegen das deutsche EU-Regiment nicht widerstehen. Jetzt sind sie selbst dran. Sie sind um ein vielfaches grösser, Frankreich und Italien sogar EU-Gründungsmitglieder. Am Thema “Corona-Bonds” haben sie nun erneut und besonders eindrucksvoll miterlebt, wieviel Solidarität es in der EU gibt.
Das wird Italien nicht überstehen. Jedenfalls nicht politisch. Die deutsche Regierungskoalition fürchtete, wie ich es aus Brüssel hörte, ein drohendes Wiedererstarken der europafeindlichen Rechten. Darum agierte sie vorsichtshalber so ähnlich, wie es die Rechten wünschen. Stärkt damit aber – ist ihr das wirklich so egal? – die Rechten in den erwähnten Ländern, die dort bereits vor Corona ein weit stärkere gesellschaftliche Basis erobert hatten. In Italien waren die Faschisten bereits in der Regierung. Gesellschaftlich war es niemand aus der EU, sondern die Sardinen-Bewegung, die ihnen wirkungsvollen Widerstand entgegensetzte, und die öffentliche Agenda in einer Weise umdrehte, wie es in Deutschland Fridays For Future gelang.
Nun steht fast alles zur Dispositon. Hierzulande gibt es nur wenige Gelegenheiten zur Wahrnehmung der italienischen Wirklichkeit. Die deutschen Tourist*inn*enmassen, die sich jedes Jahr in den Osterferien dorthin bewegen, und einen grossen Haufen Geld dort lassen, sitzen jetzt zuhause in ihren Gärten und auf ihren Balkonen (wer sowas nicht hat, konnte sich meistens auch eine Italienreise nicht leisten). Darum ist es wertvoll, wenn Italiener*inn*en noch bereit sind, noch glauben, dass es sich lohnt, zur deutschen Öffentlichkeit zu sprechen.
Das tun in der SZ eine Pflegerin, eine Psychologin und ein Priester.
Und hier, letzte Nacht bei DLF-Kultur, Maria Gazzetti, Leiterin der Casa di Goethe in Rom. Hören Sie sich das Gespräch in voller Schönheit (knapp 15 Min.) an, statt nur die Zusammenfassung zu lesen. Italiener*innen, die Deutsch als Fremdsprache sprechen, klingen wie Musik. Es ist allerdings Moll!

Sportjournalismus?

Ist der Kicker Sportjournalismus? Dazu gibt es mehr als eine Meinung. Ich habe als Fußballfan sehr lange sachliche 1:0-Berichterstattung bevorzugt. Labern und philosophieren darüber kann der Fan selbst besser, als die Nasen in Zeitungsredaktionen und Glotze. Dachte ich lange. Erst in meiner Zeit als SZ-Abonnent lernte ich als Leser Ronald Reng, Raphael Honigstein und Christoph Biermann kennen (letzteren vermittelt über Dieter Bott auch persönlich). Die hatten tatsächlich ein wenig mehr Ahnung als ich. Heute bin ich Fan der von der WDR-Programmdirektion ständig gequälten Sport-inside-Mannschaft, die noch besser, als der vor langer Zeit ermordete ZDF-Sportspiegel, Produktpräsentation durch echten Journalismus ersetzte.
Jetzt feierte also der Kicker Jubiläum. In Peter Körtes/FAZ-Würdigung lesen wir u.a. von dem Kriminellen Uli Hoeness, der immerhin weiss, was die AfD-nahe Springerpresse von “Sport-Bild” im Schilde führt. Wer könnte das besser wissen, als er?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net