75% der Bevölkerung sollen die Coronapolitik der Bundesregierung “gut” oder “sehr gut” finden. Naja, ist halt immer eine frage der Alternativen. Gibt es ein besseres Angebot irgendeiner Opposition? Mir ist auch keins bekannt.
In den letzten Tagen fiel mir auf, dass die sich anmassend “Die Linke” nennende Partei es immerhin sporadisch in den Schweinwerferkegel öffentlicher Aufmerksamkeit geschafft hat. Ob zum Nach- oder Vorteil möge jede*r selbst urteilen.
Warum es nachteilig sein könnte, dafür steht beispielhaft der linke Besserwisser Peter Nowak/telepolis. Er mischt penetrant vernünftige Einsichten mit der Besserwisserei über alte linkssektiererische Schlachten, entwertet damit die ihm innewohnende analytische Beobachtung – und zieht nur noch runter. Damit beweist er seine Repräsentativität für das Milieu, das er nicht nur beschreibt, sondern zu dem er auch selbst gehört.
Matthias von Lieben und Johannes Kuhn/DLF zeigen dafür immerhin ein Problembewusstsein, können “Die Linke” aber auch nicht schöner malen, als sie ist. Die Partei darf es schon als (bescheidenen) Erfolg verbuchen, dass sie es überhaupt geschafft hat, in dieser anspruchsvollen Feature- und Reportagereihe des DLF zum Thema zu werden.
Dauerthema ist sie bei den Wagenknechtfreunden der nachdenkseiten. Die immerhin pflegt seit einigen Tagen eine Innovation, die auch ich mir schon lange vom vorherrschenden Journalismus gewünscht hätte. Sie subtrahiert die Covid-19-Genesenen von den kumulierten Erkrankten, und stellt das als Kurvengrafik dar. Ergebnis: gegenwärtig leben in unserer Republik 0.01% aktuell gemeldete Erkrankte. So viel öffentliche Aufmerksamkeit würde sich viele Andere auch wünschen.
Es bleibt eine Dunkelziffer. Ich habe noch keine Statistik gesehen, die die Zahl der Tests erfasst und in Beziehung zu den anderen Zahlen setzt. Thüringen schafft vergleichsweise vorbildliche Transparenz und weist prozentual gar doppelt so viele aktuell Erkrankte aus, nämlich 0,02% der Gesamtbevölkerung. Dass sich Bodo Ramelow scheinbar “mutig” so weit aus dem Fenster lehnte, hat unter seinen Berufskonkurrent*inn*en wütenden Neid ausgelöst – bei allen Anderen wahrscheinlich nicht.
Wieviele mögen “krank” sein, und merken es nicht? Können sie nun ansteckend (“infektiös”) sein, oder nicht, oder wieviele? Was davon wird erforscht? Was nicht? Warum schafft unser vielgelobtes Gesundheits- und Wissensschaftssystem das nicht? Oder das Mediensystem, das es mich und andere nicht wissen lässt? Soll das alles die wohltätige Gates-Stiftung machen, als Dank für ihre Steuervermeidung? (Der letzte Link verschwindet in einigen Tagen in einem Paywall-Archiv.) Wird das Gesundheitssystem in Zukunft so ausgerüstet, dass beim nächsten Virus nicht wieder alle eingesperrt und individualisiert werden müssen?
Immerhin, ein Onlinemedium diskutiert diese Fragen: Alyssa Battistoni (Jacobin, Übersetzung von Mounira Zennia) mit “Leben statt nur Überleben”. Danke, danke, danke.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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