Sie kommt erst noch, glaubt Albrecht von Lucke/Blätter. Ich auch. Von Lucke analysiert die Potenziale, aber auch die innewohnenden Probleme der deutschen Rechtsradikalen. Im Grossen und Ganzen halte ich seine Darstellung für treffend. Doch wie so oft, endet ein guter Text an der Stelle, wo er erst so richtig spannend würde. Was folgt daraus?
Hendrik Auhagen macht bei bruchstuecke.info einen Antwortversuch. Er ist zwar nicht falsch (ausgenommen seine Idee von einem “Immunitätsausweis”, zu dieser Problematik hier mehr von Brigitta Engel/telepolis), aber bleibt noch allzusehr auf einer äusserlichen Ebene des politischen Gestus. Zweifellos wird selbst das von der herrschenden Politik schon vernachlässigt: Hoffnung statt Angst verbreiten ist eigentlich kleines Einmaleins demokratischer Politik.
Gedanklich weiter reichen da schon die Ausführungen von Alexander Brentler/Jacobin, mit ihrer katastrophal verunglückten Schlagzeile “Hört auf, die Aluhüte auszulachen!”, die in keiner Weise verspricht, was der Text bietet. Brentler unterscheidet grobschlächtig, aber nicht falsch, die Krisensicht von Liberalen und Linken, um daraus zu entwickeln, wie linke Krisenstrategie in Deutschland heute aussehen müsste. Diese Unterscheidung ist analytisch durchaus hilfreich, um für inhaltliche Klarheit zu sorgen. Und wie schon oben bei von Lucke, müsste nun die Praxis- und Bündnisfrage folgen: welche gesellschaftlichen Kräfte können auf welcher gemeinsamen Basis in diesem Fenster der Gelegenheit praktischen gesellschaftlichen Fortschritt erkämpfen, statt weitere Restauration und Zuspitzung sozialer Ungerechtigkeiten und Klimagefahren wehrlos hinzunehmen?
Nicht mehr als ein Fingerzeig zu dieser Frage gelingt Matthias Reichelt und Gerhard Hanloser/telepolis, die leider, leider treffend das Vakuum benennen, das die deutsche gesellschaftliche Linke (weit über die sich so nennende Partei hinaus) konkurrierenden und gegensätzlichen Kräften überlässt. Das entsprechende orientierungssuchende Publikum, junges und altes, sitzt täglich auch in meinem Biobistro in Beuel, tauscht begierig und ratsuchend Meinungen und Weltsichten aus, und erhält aus der öffentlich sichtbaren Politik aktuell kein Angebot.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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