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Den Niedergang der US-Demokratie aufhalten?

Donald Trump ist Rassist, das zieht sich durch seine gesamte Biografie. Dokumentationen zeigen, dass er schon als Vermieter von Wohnungen Schwarze benachteiligt hat. Er wollte eine rassistische Mauer nach Mexico bauen, er kommentierte den Automord von Rechtsextremisten in Charlottesville 2017 als Tat “guter Kerle”. Er droht, er polarisiert, er wiegelte während der Corona-Krise rechtsextremistischen, bewaffneten Mob auf, die unter anderem den Gouverneurssitz in Michigan besetzten. Trump ist nicht nur für das Präsidentenamt, er ist letztlich für jedes Amt  ungeeignet, eine Schande. Aber kein demokratischer Prozess kann ihm in den Arm fallen.

Infantil verantwortungslos

Ein Wahlamt bedeutet, Verantwortung zu tragen. Trump hat noch keine Sekunde seiner Amtszeit Verantwortung angenommen. Er hat blind und ohne Einsicht in die Folgen viele Dekrete nur deshalb unterzeichnet, weil sie Entscheidungen seines Amtsvorgängers Obama rückgängig machten. Aus Haß und Rassismus. Geht etwas schief, wie seine “Corona-Strategie” bzw. sein Nicht-Handeln in der Krise, findet er sofort einen Schuldigen. China, die Gouverneure, die Demokraten, alle, nur er selbst erträgt keinerlei Verantwortung. Die anderen sind immer schuld. Das ist infantil, auf dem Stand eines Sechs- bis Achtjährigen stehen geblieben. Dazu passt, dass er sich vor einigen Tagen vor den Demonstranten am Weißen Haus in den Präsidentenbunker geflüchtet hat. Das Kind im Amt hatte Angst bekommen.

Bezeichnend auch die Retourkutsche gegen die Demonstrierenden tags darauf. Er lässt eine friedliche Demonstration gewaltsam wegprügeln, damit er sich vor die Kapelle im Regierungsviertel stellen kann. Seine scheinbar sinnlose Pose, mit einer als solcher nicht mal erkennbaren Bibel in der Hand fuchtelnd, ist in Wirklichkeit der kleine Donald, “seht mal, was ich kann, jetzt seid ihr weg!” und der mit dem Boxhandschuh des großen Bruders wedelt: “Paßt auf, wenn Ihr nicht macht, was ich will, kommt mein Großer Bruder, der verhaut Euch wieder!”

Keine Regeln

Wer seine Körpersprache analysiert, findet fast ausschließlich entweder lächerliches Imponiergehabe “seht mal, was ich kann”, wenn er seine völlig überdimensionierte Unterschrift präsentiert, wie ein Flußpferdbulle, der die Bassinwand mit Fäkalien markiert. Oder seine Rede- und Schimpfgesten, bei denen gespitzte Lippen, abwehrende Hände und die zusammengekniffenen Augen signalisieren, dass er sein Gegenüber, dessen Meinung und alles, was damit zusammenhängt, ablehnt, zurückweist und nicht sehen will. Der Mann ist seit seinem Amtsantritt bei allen Äußerungen unfähig, auch nur ansatzweise ehrliche Freude zu zeigen. Gefühlskälte, Häme, Aggression, Feindseligkeit und Mißtrauen sind dagegen sein Metier. Für diejenigen, die er regiert, die aber nicht seine Gefolgsleute oder Speichellecker sind, hat er weder Aufmerksamkeit noch Toleranz, ausschließlich Desinteresse und Verachtung übrig. Trumps krankhaftes Freund-Feind-Denken macht ihn prinzipiell unfähig, Regeln und Verträge einzuhalten, die er nicht für einen “guten Deal”, d.h. einen heimlichen Sieg über andere hält.

Pubertärer Kneipenschläger

Begegnungen auf gleicher Augenhöhe sind für ihn unerträglich. Seine Gesten im Wettkampf mit Macron, sein Gerüpel auf dem G20-Gipfel, seine Verachtung, die er anfangs gegenüber Merkel offen zur Schau gestellt hat, sein kläglich fehlgeschlagener Versuch, sich mit dem Despoten Kim Jong Un zu einigen, deuten auf eine tiefgreifende Unfähigkeit hin, anderen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Für ihn gibt es nur Über- oder Unterordnung. Will sich jemand nicht unterordnen, wird er mit Mißachtung gestraft oder mit Gewalt bedroht. Zölle, Sanktionen, Kündigung von Abkommen oder Verleumdung, im engeren Kreis Entlassung, sind die Mittel, die Trump anwendet. Gegen seinen Helfer ins Amt ebenso wie gegen Oppositionelle. Er hetzt und spaltet, droht, das Militär gegen die Bürger*innen einzusetzen. Dass der Präsident dazu gar nicht befugt ist, interessiert ihn nicht, er benimmt sich jenseits zivilisierter Umgangsformen wie ein pubertärer Kneipenschläger. Seine Anhänger und Handlanger bekämpfen die freie Presse mit allen Mitteln. Er kennt keine Grenzen und keine Gesetze, die auch für ihn gelten. Deshalb hat ihn “Twitter” bis aufs Blut gereizt.

Selbstlob überlebenswichtig

Die Transaktionsanalyse nach T.A..Harris nennt diese Lebensanschauung die “Ich bin o.k.-Du bist nicht o.k.” oder auch kriminelle Lebensanschauung. Harris hat damit schon 1974 Verhaltensmuster beschrieben, denen Trump weitestgehend entspricht. Sie entstehen zumeist aufgrund einer schweren frühkindlichen Kränkung oder Mißhandlung, durch die das Kind lernt, sich selbst und seine Seele zu streicheln, weil es keine Liebe durch Eltern erfährt. Trump zeigt dieses Selbststreicheln durch die neurotischen, von Selbstlob geprägten Pressekonferenzen, auf denen er erklärt, welch tollen Job er selbst gemacht hat oder macht. Für das Kind ist die Erkenntnis  “Ich bin o.k.-Du bist nicht o.k.” überlebenswichtig. Für den Erwachsenen und seine Umwelt kann sie im Desaster enden. Trumps Persönlichkeit ist offensichtlich weitestgehend auf der Stufe des verletzten Kindes stehen geblieben, niemals erwachsen geworden, sondern nur gegenüber der Erwachsenenwelt verhärtet.

Die anderen sind immer schuld

“Die Tragödie für diesen Menschen und für die Gesellschaft liegt darin, dass er durchs Leben geht, mit der Weigerung, nach innen zu schauen. Er ist unfähig, objektiv zu erkennen. Schuld haben immer ‘die andern’. Es sind überhaupt immer ‘die andern’. Das sind Menschen ‘ohne Gewissen’ und mit der Überzeugung, dass sie o.k. sind, egal, was sie tun und dass in jeder Situation die ganze Schuld bei den anderen liegt.” (Harris, S. 67 f.) Die letzte Konsequenz dieser Anschauung ist Mord, der vom Mörder als gerecht empfunden wird.
Einen solchen hat Trump interessanterweise bereits in einer Wahlkampfrede im Januar 2016 in Iowa erwogen. “Ich könnte mich auf die Fifth Avenue stellen und jemanden erschießen und würde keinen Wähler verlieren, das ist unglaublich”, prahlte Trump damals. Grenzenlose Selbstüberschätzung bei gleichzeitiger Bedürftigkeit, seine Eitelkeit zu befriedigen, machen ihn als öffentlichen Amtsträger ebenso unberechenbar wie die Einschätzung unsicher, ob solche Sätze ernst gemeint und er zu einer solchen Tat fähig wäre. Schwer zu verstehen, dass eine solche Person die Befugnis hat, über die Sicherungscodes der US-Atomraketen zu bestimmen. Und manche US-Bürger trauen Trump inzwischen zu, für eine Wiederwahl einen nationalen Bürgerkrieg und Ausnahmezustand zu provozieren.

Nicht therapierbar

Trump leidet offensichtlich an Streichelhunger, da es aber für ihn keine “o.k. Menschen” gibt, kann ihn auch kein Streicheln erreichen. Noch einmal Thomas Harris: “Ein solcher Mensch kann sich mit einem Gefolge von Jasagern umgeben, das ihn unermüdlich lobt und streichelt. Doch er weiß, dass dieses Streicheln nicht echt ist, weil er es selbst inszenieren musste, genau wie er selbst von vornherein für sein eigenes Streicheln sorgen musste. Je mehr sie ihn loben, um so mehr verachtet er sie, bis er sie schließlich alle verstößt gegen eine neue Gruppe von Jasagern.”  Womit auch Trumps Verhalten gegenüber Steve Bannon und anderen inzwischen von ihm entlassenen Mitgliedern seiner Entourage erklärt wären. Die deprimierendste Erkenntnis ist die Tatsache, dass dieser Zustand, den Harris als “moralischen Schwachsinn” bezeichnet, es dem Betroffenen unmöglich macht, jemand anderen außer sich selbst als “o.k.” anzuerkennen. Aus diesem Grund ist auch eine Therapie schwierig, denn auch der oder die Therapeut*in sind ja “nicht o.k.”

Nicht Therapie, sondern Demokratie

Aber in der aktuellen Politik der USA geht es auch nicht um Therapie für einen narzisstisch gestörten Präsidenten, sondern um ein glaubwürdiges Gegenkonzept, das geeignet ist, die moralischen und intellektuellen Desaster der Trump-Ära zu beenden. Und dazu bedarf es Entschlossenheit und Handlungskompetenz. Beide Eigenschaften gehen jedoch Joe Biden, dem designierten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, ab. Während sich das Kind Trump im Bunker versteckte, äußerte sich zwar Biden – aber ebenfalls aus seinem Kellerbunker, in dem er sich vor Covid-19 verschanzt hat. Während sich Trump auf Cape Canaveral beim Start der ersten bemannten privaten Weltraummission inszenierte, hätte Biden auf einer Demonstration sprechen müssen. Er ist nirgendwo präsent. Hinzu kommen Zweifel an der Gesundheit und vollen Entscheidungsfähigkeit des 77-jährigen, der nicht einmal den Bruchteil der Dynamik seines ein Jahr älteren Konkurrenten Bernie Sanders ausstrahlt.

Welche Frau tut sich das an?

Es bedürfte schon einer äußerst glaubwürdigen Vizepräsidentschaftskandidatin, um die Situation nur halbwegs zu retten. Um Bidens Handicap soweit zu kompensieren, dass die Wähler*innen im Zweifel die “Vize” als gleichwertig und jederzeit bereit, das Amt zu übernehmen, erkennen und akzeptieren könnten. Gretchen Whitmer könnte so jemand sein, die Gouverneurin von Michigan, die in der Covid-Krise gezeigt hat, dass sie sich mit Trump ebenbürtig anlegen kann. Michelle LaVaugn Robinson brächte Kompetenz, Härte, Glaubwürdigkeit und viel Empathie mit – aber sie dürfte dieselben Haßtiraden fürchten, die Hillary Clinton von der extremen Rechten entgegenschlugen – und sie hat erst kürzlich erklärt, keine eigenen politischen Ambitionen zu haben. Dann wäre da noch Alexandria Ocasio-Cortez, Demokratin aus New York und Ikone der demokratischen Linken, mit der sich das Parteiestablishment der Demokraten ebenso schwer tut, wie mit Bernie Sanders – und eine, die es auch könnte, vor der der ganze etablierte Politzirkus zittern würde, aber die sich Biden nicht trauen wird, zu benennen: Megan Rapinoe.

Jede Kandidatin die antritt, müsste ums Ganze kämpfen, um die Demokratie und um die Verfassung. Trump ist zu schlagen. Wer gegen ihn verliert, hat in den nächsten Jahren nicht viel zu lachen. Aber alle anderen auch nicht.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

4 Kommentare

  1. Martin Böttger

    “Aber niemand scheint es beenden zu wollen. ” – das hast Du nicht wirklich ernst gemeint, oder?
    https://blacklivesmatter.com/
    Spektakulär klar und gut an deutsche Adressen auch das:
    https://www.daserste.de/unterhaltung/comedy-satire/carolin-kebekus-show/videos/brennpunkt-die-carolin-kebekus-show-folge-3-video-100.html

  2. Roland Appel

    Du hast recht – ich hab es präzisiert. Wenn er nach verlorener Wahl putscht, gibt es nicht mal das höchste Gericht – auch da hat er nun die Mehrheit.

  3. Norbert K. Mülleneisen

    Schlag mal nach bei Wikipedia: “Histrionische Persönlichkeitsstörung”. Der Typ ist krank. Wir sollten Mitleid mit Ihm und den USA haben

  4. Gerd Kauschat

    Bemerkenswert, wie sehr Linke unter dem Einfluss der Massenmedien bereit sind, einzelne Personen als vermeintlich historisch entscheidend zu betrachten, anstatt den zunehmenden strukturellen Demokratieabbau weltweit im Zuge des gallopierenden Neoliberalismus zum Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen zu machen. Als ob Wahlen daran substantiell etwas ändern würden, auch ein eher linker Bewerber wäre entweder schon im Vorwahlprozess ganz schnell weg (wie Bernie Sanders), oder nach der Wahl ganz schnell gezähmt. “Ein Wahlamt bedeutet, Verantwortung zu tragen.” finde ich ungefähr so realistisch, wie den Glauben an den Weihnachtsmann.

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