Es geht um verschiedene, aber aussergewöhnlich umfangreiche Kapitalverbrechen, begangen von real Mächtigen der Gesellschaft. Sie haben sich erwischen lassen. Was tun? Am sinnvollsten ist die Strategie, jemand aus dem Kreis der Mächtigen (einen Konkurrenten gar?), der schon lange nervt, auszugrenzen, und als medienattraktiven Sündenbock schlachten zu lassen. Wird er verurteilt, trifft es keinen Falschen; er wird kein Mitleid bekommen, hat auch keins verdient. Am Ende hat die Öffentlichkeit an ihm ihr Mütchen gekühlt, und wendet ihr Interesse wieder anderen Dingen zu. The Games Must Go On!
Wenn eine ganze Ökonomie auf dem massenhaften Quälen von Tieren, und der ebenso massenhaften gesetzwidrigen Ausbeutung von menschlicher Arbeitskraft gebaut ist, dann bieten sich ein westfälischer und ein niedersächsischer Dickschädel, die sich in ihrer Karriere schon Legionen von Feinden gemacht haben, und es nicht mehr weit bis zum Rentenalter haben, als darzubringendes Opfer an. Clemens Tönnies und Sigmar Gabriel hat es so erwischt, dass sie sich davon nicht mehr erholen werden. Inwieweit sich nach diesem Opfergang auch etwas an der ökonomischen, sozialen und ökologischen Praxis ändert, das bedarf des Bohrens dickerer politischer Bretter, als es für den Sturz mehr weniger verdienter Politiker und Konzernherren bedarf, hinter denen ungeduldige Erben darauf warten, auch mal zu dürfen …
Der englische Name für Tönnies könnte Andrew lauten. Das ist ein unseliger Spross der Familie Windsor, der sich mit einem katastrophalen TV-Interview zur Epstein-Affäre heftig als prominenter Sündenbocḱ empfohlen hat. Die Revolverpresse des Trump-Buddys Rupert Murdoch, selbst nicht mehr ganz jung, hat diese Bewerbung begeistert angenommen. Wer hätte es praktischer für Murdoch einrichten können, dass eine Tochter des von ihm vor Jahrzehnten aus dem Feld geschlagenen Maxwell-Clans in dem Szenario eine wichtige Rolle als leitende Angestellte spielt? Werden sie ihr als Kronzeugin ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen kann? Oder wird sie über kurz oder lang in der U-Haft einen ähnlichen Selbstmord begehen, wie es schon ihr Vater und auch Jeffrey Epstein getan haben soll. Mit einem Windsor wäre jedenfalls die Neugier des Publikums mehr als zufrieden zu stellen, und die anderen Mächtigen könnten weiter Rüstungsgeschäfte vereinbaren, Geheimdienst-“Erkenntnisse” verkaufen, Massenmorde organisieren, Killer-Drohnen und Schweinehälften tauschen, Menschen ausbeuten, Mädchen entführen und vergewaltigen, und dafür allfälligen gesellschaftlichen Respekt entgegen nehmen. Verhindert werden muss lediglich, dass eine*r zuviel singt. Wie ist egal.
Harvey Weinstein lässt es sich schliesslich auch ein bisschen kosten. Dass es seine Versicherungen tun, macht die Denkwelt dieser Kreise kenntlich.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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