Bundesinnenminister Horst Seehofer macht sich zunehmend zum Zensurminister. Erst spielt er sich zum Vergeber von Noten für mißlungene Satire der TAZ auf, bedroht sie gar mit Strafanzeigen, obwohl eine andere, seit Jahrzhnten notorisch lügende Zeitung aus Berlin, eine gleichermaßen rassistische wie unappetitliche Kampagne nach der anderen fährt – aber das ist ihm offensichtlich noch nie aufgefallen. Weil nicht sein darf, was Realität ist. Nun weigert er sich eine wissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben die feststellen soll, ob es Anhaltspunkte für “Racial Profiling” in der Polizei gibt. Auch hier soll wohl nicht sein dürfen, was möglicherweise Realität ist.

Die Argumente derer, die Realität nicht sehen zu wollen, sind platt: Wenn vorwiegend schwarze Straftäter in bestimmten Parks in Berlin mit Drogen handeln, müsse man diese ja kontrollieren können, erklärte ein CDU-Innenpolitiker heute. Er könnte sich ja mal die Frage stellen – und das befürchtet er, würde die Wissenschaft wahrscheinlich tun, warum bestimmte schwarze Menschen zum Dealen kommen oder gar gezwungen sind, welche sozialen Ursachen, und Illegalisierungen verursachen. Davor die Augen zu verschließen und die Delikte auf ihre Häufigkeit unter Menschen dunkler Hautfarbe zu reduzieren, ist gleichgültig, wenn nicht unter Umständen bereits rassistisch. Das eben ist eine Frage der Wissenschaft, aber die darf nicht gestellt werden, weil Herr Horst Seehofer es nicht will.

Dabei berichten Organisationen wie die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, dass bunt eben nicht normal ist und Racial Profiling ganz anders aussieht: Fahren Sie mal als Schwarzer einen teuren Sportwagen oder eine dicke S-Klasse von Mercedes und kommen in eine Polizeikontrolle, bei der nur Stichproben gemacht werden – wetten, dass Sie dabei sind? Wenn in Ihrem Haus nach Illegalen gesucht wird und an Ihrem Türschild steht – sagen wir mal – Prof.Dr. Okoye – wetten, dass bei Ihnen geklingelt wird? Und bei “Seehofer” nicht? Die Grüne Innenpolitikerin und potenzielle Nachfolgerin Seehofers in der nächsten Legislaturperiode, Irene Mihalic, empfiehlt ihm nachhaltigen Erkenntnisgewinn durch die Untersuchung, die auch im Interesse der Polizei ist.

Niemand behauptet, dass die Polizei generell rassistisch sei. Aber es gibt Teile, die sind es. Die Bedrohung der Nebenklägerin im NSU-Verfahren aus Reihen der hessischen Polizei sprechen Bände. Deshalb ist es überfällig, dass diese Frage untersucht wird. Ein Innenminister, das davor die Augen verschließt und verhindert, dass eine wissenschaftliche Untersuchung stattfindet, muss zurücktreten. “Zu-rück-tre-ten – Seehofer, Du Bayer, nicht von hier, verstehen nicht deutsch?”

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net