Wissen Apotheken-Umschau-Leser*innen mehr?
Symbole sind nicht nichts, sie sind auch nicht grundsätzlich nutzlos. Im Gegenteil, sie sind Teil sozialer Wirklichkeit und Kommunikation. Was nun diese Mund-und Nasenschutz-Masken betrifft, verdichtet sich für mich, was ich als Laie schon lange befürchtet habe. Florian Rötzer/telepolis hat für mich die Apotheken-Umschau gelesen. Apotheken habe ich ebenso wie Arztpraxen und Krankenhäuser nun schon seit mehreren Abrechnungsquartalen nicht mehr betreten. Ich wollte ja niemand überlasten. War auch wieder falsch. Egal was du machst. Irgendwas ist immer. Aber tut mir leid, ich hatte halt nichts.
Schon lange habe ich geahnt, dass ich mit meinen Masken (ich habe zwei, eine zum wechseln) fast alles falsch mache. Ich fasse sie falsch an. Ich werfe sie nicht weg. Sie sind aus falschem Material. Ich wasche sie falsch. Ergebnis: ich vermeide nicht Viren, sondern sammle sie. Gestern noch habe ich meine Maske über mein Weinglas gelegt, damit sich die Wespen darin nicht selbst ertränken (zweifellos ein schöner Tod, denn es war guter Wein).
Warum trage ich das Teil überhaupt, wenn mir das doch alles klar ist? Ich kann für mich subjektiv erklären, dass ich an Gehorsam-Zeigen nicht interessiert bin. Als Rentner bin ich von derartigen Neurosen befreit. Ich möchte nur zeigen, dass ich zu einem Minimum an Rücksicht- und Verantwortungsübernahme bereit bin. Ich muss auch niemandem mehr zeigen, dass ich anders als die Andern, ein Nonkonformist bin. Dieses Bedürfnis habe ich schon in der Schule befriedigt, als ich nicht wie die andern Schalke- oder RWE-Fan (die waren damals noch 1. Liga), sondern Gladbach-Fan (seit 1965) wurde.
Weitergehende oppositionelle Neigungen habe ich danach durch politisches Engagement befriedigt, wobei es mir nie ausgereicht hätte, nur kaputt zu machen, was mich kaputtmacht. Doch was mache ich nun mit der Erkenntnis, dass die Maske nur ein Symbol ist? Sie zeigt zunächst, dass geschätzte über 90% auf irgendeine, vielleicht nur geringfügige Weise halt doch begreifen, dass das Corona-Virus kein Spiel, sondern Ernst ist. Wenn nun Politiker*innen und Verwaltungen die Maskenfrage immer weiter aufblasen, zeigen sie zunächst nur ihre Schwäche – sie wissen halt auch nicht weiter, und müssen Handlungskraft, wo keine ist, simulieren. Tragisch.
Meine Hypothese ist, dass das Virus uns noch Jahre, mindestens sehr viele Monate begleitet. Mag sein, dass Politiker*innen auch hier simulieren werden, sie hätten einen Impfstoff entdeckt, wenn der noch nicht ausreichend erforscht und erprobt ist. Forscher*innen, die sich an Wahlterminen orientieren, dürfen automatisch als unseriöse Outlaws betrachtet werden. Möge das Schicksal sie davor bewahren, von Donald Trump, Wladimir Putin oder Jens Spahn instrumentalisiert zu werden. Als Erkenntnis hat sich bei mir festgesetzt, dass das Virus nicht harmlos ist, die meisten aber zum Glück nicht umbringt, sehr viele es noch nicht einmal bemerken. Es wäre also angebracht, sich schwerpunktmässig und gezielt um die Menschen zu kümmern, die – mal wieder – am meisten bedroht sind: die Alten, die Kranken, die Schwachen, die Armen. Oops, sollte das nicht immer so sein? Doch, doch, sollte es. Tut es aber nicht. Das nennt mann und frau: Politik! Wenn das Virus für irgendwas gut ist, dann dafür, was es alles sichtbarer macht.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net