Von Günter Bannas
Letzthin schlug Angela Merkel die dringliche Einladung Donald Trumps zum G-7-Treffen nach Washington aus – „in Anbetracht der Pandemie-Gesamtlage“. Damals, wie sich nun angesichts folgenreicher Verantwortungslosigkeit des amerikanischen Präsidenten erwiesen hat, alles richtig gemacht und jetzt auch noch recht bekommen? Falsch wäre es, der Bundeskanzlerin die Auffassung von „Das geschieht ihm recht“ zu unterstellen. Sie hat ihm ja auch über ihren Regierungssprecher eine Mitteilung zukommen lassen. „Kanzlerin #Merkel: Ich sende Donald und Melania Trump all meine guten Wünsche. Ich hoffe, dass sie ihre #Corona-Infektion gut überstehen und bald wieder ganz gesund sind. @POTUS @FLOTUS“, lautete der Twitter-Tweet, wobei zu erklären ist, dass „POTUS“ für „President of the United States“ steht und „FLOTUS“ für deren First Lady. Vergleichsweise minimalistisch. Versehen mit der bewusst notdürftig verkappten Ermahnung von „Ich habe es ja gewusst“? Man stelle sich die Reaktion Merkels vor, Emmanuel Macron wäre an Covid-19 erkrankt.

Die Infizierung/Krankheit Trumps sei „kein Anlass zur Schadenfreude“, ist jetzt gesagt worden. Eine Formel, die einerseits realpolitisch die Möglichkeit berücksichtigt, Trump könnte ja Präsident bleiben, und die sich auch den Grundsatz zu eigen macht, Auseinandersetzungen müssten, wenn es um Leib und Leben geht, ihre Grenzen haben. Die aber andererseits an jene Scheinheiligkeit erinnert, die auftaucht, wenn von „Witze, die wir nie mehr hören wollen“ und „Bilder, die wir nie mehr sehen wollen“ die Rede ist und Hörer und Seher klammheimlich vor Gruseln juchzen. Das „Schadenfreude ist nicht angebracht“ kann die Negation des Gesagten auf klandestine Weise implizieren.

Zitat Schopenhauer: „Der schlechteste Zug in der menschlichen Natur ist die Schadenfreude, da sie der Grausamkeit enge verwandt ist.“ Nietzsche schrieb, Schadenfreude sei die „Rachsucht der Ohnmächtigen“, was Eingang in die (Küchen-)Psychologie fand, weil ganze Berufsgruppen von Schadenfreude leben. Früher Hofnarren, heute Kabarettisten, der Karneval sowieso. Doch auch die Leute in der Politik, häufig gepaart mit Neid, gar Rachsucht, wenn es um Versprecher und sonstige Aussetzer (meist der Besserwisser, manchmal auch der Schwachen) geht oder eben gegen solche, deren Häme zu Lasten Dritter auch keine Grenzen kennt. Wie der Mensch so ist: Des einen Leid ist des anderen Freud.
Günter Bannas ist Kolumnist des HAUPTSTADTBRIEFS. Bis März 2018 war er Leiter der Berliner Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus “DER HAUPTSTADTBRIEF AM SONNTAG in der Berliner Morgenpost”, mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion. © DER HAUPTSTADTBRIEF

Über Guenter Bannas / Gastautor:

Günter Bannas ist Kolumnist des Hauptstadtbriefs. Bis März 2018 war er Leiter der Berliner Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seine Beiträge sind Übernahmen aus "Der Hauptstadtbrief", mit freundlicher Genehmigung.