Kissinger überlebte Brandt – wird Fritsche Merkel überleben?
Die 2013 verstorbene Tissy Bruns erwähnte mir gegenüber einmal Bernd Greiner. Ich war mir nicht sicher, was sie mir damit signalisieren wollte. Wir waren 1981/82 beide im Vorstand der Vereinigten Deutschen Studentenschaften (VDS), sie für den MSB, ich für den LHV/Jungdemokraten, vertraten gemeinsam die VDS im Koordinierungsausschuss der Friedensbewegung und pflegten, so nannte sie das, regelmässig das “politisch-persönliche Gespräch (PPG)”, gerne im damaligen Café Rittershaus in der Kaiserstrasse. Hatte sie mit Greiner “was” gehabt? Ich weiss es nicht. Auf jeden Fall hat sie sehr viel von ihm gehalten, und das war verständlich.
Daran erinnerte ich mich, als ich Greiner heute morgen – neben der Kolumne von Günter Bannasim “Hauptstadtbrief der Berliner Morgenpost” wiederlas. Er hat mal wieder ein gutes Buch geschrieben, und lässt uns an einer Grundaussage öffentlich teilhaben. Es ist die schwierige Grammatik des Vertrauens, die SPD und FDP in ihrer Regierungszeit ab 1969 zu installieren versuchten. Sie war ein lebenswichtiger Beitrag zu der nun schon so lang andauernden Abwesenheit von Krieg in der deutschen Mitte Europas. Greiners erinnernder Text wirft die Frage auf, ob das Ableben Willy Brandts und das Weiterleben Henry Kissingers nicht auch symbolisch für die herrschenden Verhältnisse in der Politik stehen. Unbestritten ist, dass Brandt in der SPD keinen Erben mehr gefunden hat. Kissingers Politik wird dagegen fortbestehen, auch und gerade über die US-Präsidentenwahl Anfang nächsten Monats hinaus. Eine Genugtuung, die der Greis geniessen wird.
Denkmäler
Welche Denkmäler wird die zeitgenössische Politik unseren Nachkommen bescheren? Julia Pelta Feldman hat dazu in ihrem grundkonstruktiven Essay für den DLF eine herrliche verrückte Idee, mit der sie das Geheimnis Berlins perfekt entschlüsselt. Das im Bau befindliche Schloss soll nach seiner Fertigstellung direkt wieder abgerissen werden. An seiner Stelle wird dann der Palast der Republik rekonstruiert. Nur um den dann erneut wieder abzureissen … und immer so weiter. Ähnliche Ideen gab es ja auch schon zu dem in der Eröffnung befindlichen Flughafen, ein geeignetes Denkmal für die ignorierte Klimakatastrophe – und den Berliner Starrsinn. Feldmans Idee würde der typischen Berliner Beklopptheit gerecht. Für uns – und da wären Wessis und Ossis sich schnell einig! – bliebe nur die Frage, wie wir diese Stadt loswerden können. Oder wollen Sie das alles bezahlen? “Selbstständige politische Einheit” war doch eine der wenigen wirklich guten DDR-Ideen ….
Zum Umgang mit Denkmälern in Bonn gabs ferner einen hörenswerten Beitrag von Ayşegül Acevit (Audio 30 min) auf WDR5; Dank an Rudolf Schwinn für den guten Tipp.
Fritsche
Günter Bannas ventiliert heute Versuche, Angela Merkel zum Bleiben in ihrem Staatsamt zu bewegen. Dagegen sprechen Figuren wie Klaus-Dieter Fritsche. Nun hat das Bundeskanzleramt unter Zuhilfenahme eines FDP-MdB eine schlechte Fritsche-Nachricht durchgestochen, offensichtlich in der Absicht, ihm Grenzen seines Treibens aufzuzeigen. Es sind Charaktere wie dieser, für die in der Vergangenheit Denkmäler gesetzt wurden, die uns bis in die Gegenwart verfolgen, mit denen frau gerne nicht mehr Zeit verbringen will, als frau muss. Was, lieber Kollege Bannas, spräche dafür?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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