Zombieindustrialismus und seine dienstbaren Ideologien
Der Spitzentext des gestrigen Tages stammt von Reinhard Olschanski, der auch schon hier im Extradienst publiziert hat – diesmal in den Blättern. Sein Titel: “Zombieindustrialismus: Corona oder die Verwahrlosung der Vernunft”. Reinhard lernte ich als Mitarbeiter von Claudia Roth kennen, später wechselte er für kurze Zeit zur NRW-Landtagsfraktion der Grünen. Er ist Schüler von Adorno-Schülern am Institut für Sozialforschung in Frankfurt, und wendet das epochemachende Werk Dialektik der Aufklärung von Adorno und Horkheimer auf das Heute an.
Selbstverständlich kennt Olschanski die Eingebundenheit dieses Textes in seine Zeit: 1944, ein Jahr ultimativer Grausamkeiten des Zweiten Weltkrieges. Ich selbst habe es erst zu Beginn unseres Jahrtausends gelesen, und war völlig verblüfft von seiner Aktualität, insbesondere was Kultur-, Ideologie- und Medienproduktion betraf. Viel ist von diesen Kerlen zu lernen, und Olschanski hat es getan.
Ein paar Zitate aus seinem Text, um Sie zu locken:
“Die Geltungsansprüche der modernen Wissenschaft sind keine fest ausgeprägten Münzen, die man sich vorgängig und blind in die Tasche stecken kann. Erst in Verfahren von Kritik und Gegenkritik werden sie verifiziert oder falsifiziert.”
“Wie instrumentelle Vernunft in der Form eines naturzerstörerischen Industrialismus die ökologischen Lebensgrundlagen der Menschen aus einer eigenen, naturvergessenen Logik heraus untergräbt.”
“Natur ist keine tote Materie, die bedingungslos einer industriellen Vernutzung überantwortet werden darf.”
“Vertwitterung der Wahrheit durch zahllose Tweets, die dann wie bunte Ballons den Himmel der öffentlichen Augenblicksaufmerksamkeit bevölkern”
“Der übermächtige Verblendungszusammenhang, den Horkheimer und Adorno bereits in einer von Hollywoodkino und Radioshows bestimmten US-Unterhaltungsindustrie der 1940er Jahre oder gar in der Jazzmusik ihrer Zeit ausmachen wollten, mutet dagegen noch recht harmlos an. Tatsächlich kommt auch ein solcher Verblendungszusammenhang erst heute, in der verpixelten und vertwitterten Öffentlichkeit unserer Tage, auf den Begriff – mit einer Medienwirklichkeit, in der sich alles in einzelne Bildpunkte auflöst, die dann im Gegenzug einem magisch-intuitiven Konstruktivismus überantwortet werden, der ihn auf seine Weise wieder zusammensetzt. Auch hier haben Horkheimer und Adorno – ähnlich wie schon bei der ökologischen Frage – nur erst die Anfangsgründe einer Entwicklung beschrieben, die dann die ursprüngliche Diagnose weithin überbieten sollte. Zu befürchten steht, dass auch wir heute die Endpunkte dieser Entwicklung noch nicht überblicken.”

Intensiv hat er, das ging schon aus seinem oben verlinkten Extradienst-Text hervor, die neue Rechte und ihre Strategien und Techniken studiert. Ihn zu lesen ist eine gute intellektuelle Ausrüstung, um sie demokratisch zu bekämpfen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net