“Grausamkeiten” lieber direkt am Anfang
An digitalen Methoden und Simulationen politischer Willensbildung und traditioneller Versammlungsdemokratie nehme ich nicht teil, weil ich es nicht muss. Ist mir nicht sexy genug. Den General-Anzeiger lese ich nicht als Abonnent, weil deutsche Milliardär*inn*e*n kein Recht auf mein knappes Geld haben, sondern in Gastronomien, die härter dafür arbeiten müssen, aber jetzt leider alle geschlossen sind. Der kostenlos zugängliche digitale General-Anzeiger meldet nur so viel:“Postenstreit bei den Grünen lähmt die Bonner Ratsarbeit. Es ist immer noch unklar, ob Brigitta Poppe-Reiners und Hardy Lohmeyer aus der Grünen-Fraktion im Bonner Stadtrat austreten. Derzeit laufen noch Gespräche. von Lisa Inhoffen”. Dann folgt die Bezahlwand.
Corona-erzwungener Verzicht hat auch seine guten Seiten. Ich muss mich also weniger als andere über verschwendete Zeit ärgern. Was hinter der Bezahlwand stehen dürfte, habe ich viele Jahrzehnte erlebt.
Den Fehler haben die Bonner Grünen schon begangen, als sie die beiden ehemaligen Fraktionsvorsitzenden – seinerzeit installiert, um einen angeblichen “Generationswechsel” gegen Doro Pass-Weingartz durchzusetzen – um des lieben Friedenswillen wieder auf die Kandidaten*innen*liste der vergangenen Kommunalwahl setzten. Jetzt haben sie diesen “lieben Frieden”. Da hätten sie die Uhr nach stellen können.
Statt nun lange “Gespräche” zu führen, sollten sich die Grünen lieber darum kümmern, eine breiter aufgestellte Bündnis-Mehrheit im Stadtrat für eine radikalere Klimapolitik, eine wirkungsvolle Verkehrswende, und endlich, endlich mehr Sozialwohnungsbau durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft Vebowag zu schaffen. Die Mehrheit muss gross genug sein, dass sie nicht von wenigen Egoman*inn*en erpresst werden kann. Das verlangt Fantasie, Verhandlungsgeschick, Improvisationskunst und viel Nervenstärke, über die sowohl die Oberbürgermeisterin Dörner als auch die Grünen Fraktionsvorsitzenden Standop und Achtermeyer durchaus verfügen.
Schmerzhaft wird für die Grünen allein, dass sich ihre Fraktionsstärke damit um -2 arithmetisch verkleinert. Das verändert die Grundrechenarten über den Zugriff auf Ratspositionen (Aussschuss-Sitze und -Vorsitze) und zahlreiche Postenvergaben in städtischen Unternehmen und Aufsichtsgremien. Und auch auf die Ressourcenvergaben für Stadtratsfraktionen. Das müssen sie dann eben aushalten, als Strafe für längst begangene Fehler. Die konkurrierenden Fraktionen reiben sich gewiss schon die Hände. Obwohl: ich bin mal gespannt, wer die beiden haben will.
Fünf Jahre Ratsperiode können sehr lang werden. Vor allem, wenn sie immer unter derartigen “Gesprächen” leiden. Lieber ein schmerzhafter Schnitt als jahrelange gegenseitige Psycho-Quälerei, die – ausser die Beteiligten – niemanden da draussen interessiert. Happyend not available.
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