Und: Paolo folgte Diego / Fußball abschalten? – passiert schon!
Das habe ich an Francis Ford Coppola – neben seinen genialen Filmen – immer bewundert: wie er die profitgeilen Hollywood-Bosse lang gemacht hat. Es ist neben der Herstellung von Filmen die grösste Regisseur*innen*kunst: der Kunst den Sieg über Rentabilitätsrechnungen zu verschaffen. War es unter diesen Vorzeichen Glück oder Pech? Bei “Der Pate” gingen Kunst und Profit eine glückliche Beziehung ein. Darum “mussten” drei Teile hergestellt werden, einer besser als der andere, und weil der 81-jährige Coppola wohl wieder Geld braucht (s. Bob Dylan), hat er noch einmal eine neue Schnittfassung vom dritten Teil gemacht. Muss ich selbstverständlich unbedingt sehen, und werde ich auch.
Zu Coppolas Kunst gehörte neben vielen anderen Faktoren – sehen Sie es sich einfach selber an! – die Politisierung seiner Erzählung (auf der Basis von Mario Puzos Roman). Die Mafia ist nicht das böse Andere, sondern integrativer Teil des Systems ökonomischer und politischer Herrschaft. Das ist ja genau der Trick: den Übergang zwischen Kriminalität und Legalität fliessend zu gestalten. Die Widerstandskraft der Politik im real existierenden Kapitalismus reicht dagegen in aller Regel nicht aus, sondern wird billig abgekauft. Wo hat Coppola das persönlich studiert? In der Praxis von Hollywood.
Legitimer Mafia-Erbe: das Fußball-Buzyness
In ihrer besten Zeit beherrschte die italienische Mafia ihr Land über die Christdemokratie. 1982 wurden sie sogar Fußballweltmeister. Seit 1966 war das TV-Sport, jedes Spiel wurde weltweit live gesendet, die Endspiele erreichten Milliarden Menschen. 1982 fand das Turnier in Spanien statt, das sich mitten in der “Transición” von der faschistischen Franco-Diktatur zur in Nato und EU integrierten kapitalistischen Demokratie befand. Inwieweit es bei der WM mit rechten Dingen zuging, lasse ich lieber offen, ich weiss es schlicht nicht. Sehr genau kann ich mich allerdings an das gefühlte Finale Italien-Brasilien (3:2) erinnern. Brasilien, seinerseits von einer in ihren letzte Zügen liegenden faschistischen Militärjunte beherrscht, hatte ein Team, das intellektuell von einem demokratisch engagierten Oppositionellen aus Sao Paulo, Sócrates Brasileiro Sampaio de Souza Vieira de Oliveira, angeführt wurde. Das Team spielte den schönsten Fußball, den ich bis dahin in meinem Leben gesehen hatte. Zum Termin des Spiels gegen Italien verschwand die komplette Clique, mit der ich die WM schaute, zum Rolling-Stones-Konzert ins Müngersdorfer Stadion, nur ich nicht. Ich glotzte dieses Spiel, und habe es nicht bereut. Im historischen Wettbewerb hat es das Stones-Konzert klar geschlagen. Es war das Spiel des Paolo Rossi, der alle drei italienischen Tore vollstreckte. Ich war ihm sehr böse, weil er mein Lieblingsteam sportlich niederschlug. Aber er wurde dadurch unvergesslich; ich habe mir sogar gemerkt, dass er seine Karriere bei Lanerossi Vicenza begonnen hat, von dessen Existenz ich nur durch ihn erfuhr. Jetzt ist er gestorben, nur wenig älter als Diego Maradona.
Was bleibt?
Heute gehört der Fußball den Medienkonzernen. Sie müssen ihn spielen lassen, um die Zirkulations- und Waschmaschine ihres Kapitals am Laufen zu halten. In Deutschland reicht diese Macht bis hinunter in die 4. Liga. Doch es gucken immer weniger zu. Roland Appel fragte eben: “Wann emanzipieren wir uns vom Blödsinn der Fußballindustrie und schalten sie einfach ab?” Die Antwort ist: Jetzt! Die ARD-Sportschau am Samstag glotzen nur noch weniger als 5 Mio.; das ZDF-Sportstudio weniger als 2 Mio. Und hier die Einschaltzahlen von Sky. Die Medienkonzerne jubeln sich öffentlich an diesen Zahlen besoffen. In Wahrheit sind sie Zeichen des Verfalls. Die höchste Quote, die der Sportschau, macht noch gerade mal 6% der Gesamtbevölkerung aus, das sind weniger als – bisher – FDP wählen! Einzelne Sky-Spiele haben nach eigenen Angaben noch weniger Zuschauer*innen vor der Glotze als im Stadion.
Sky hat sich dennoch – bisher – die Bundesliga/DFL mehr kosten lassen, als sie wert ist. Sein ehemaliger Besitzer Rupert Murdoch wollte es so, weil er damit politischen Einfluss kaufte. In Australien, im United Kingdom und den USA hat das auch alles fabelhaft geklappt. In Deutschland nicht. Um sein Milliardenerbe zu ordnen, hat er Sky an den US-Konzern Comcast verkauft. Der wird bald Controller an die Arbeit schicken. Und das wird kein gutes Ende nehmen. Spätestens 2025, wenn der letzte TV-Vertrag endet.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net