Marodeure und Faschisten treiben die USA nach rechts
Die folgenden Überlegungen basieren auf Berichten von Frauke Steffens/FAZ zu den gestrigen Washingtoner Ereignissen und Dorothea Hahn/taz zur Senats-Stichwahl in Georgia. Beide Autorinnen sind für mich satisfaktionsfähige Referenzen. Sie machen ihren Job als Auslandskorrespondentinnen so, wie ich es mir von allen Inhaber*inne*n solcher Jobs wünschen würde.
Zerlegt sich die GOP?
“Grand Old Party” ist der Kosename der US-Republikaner, der von Donald Trump auf rechts gedrehten bisherigen Mehrheitspartei. Parteien sind im US-System von (noch) geringerer Bedeutung als hierzulande, ein Kampagnenapparat für politische Führungspersonen, extrem heterogen, und darum für kollektive Meinungsbildungen selten genutzt, immer wieder gerne aber für konkurrierende Intrigen.
Steffens’ Bericht legt nahe, dass Donald Trump diese Partei nun zerlegt. Die faschistoiden Teile mobilisiert er für sein privates Fundraising, das er als professioneller Pleitier dringend benötigt. In Zukunft will er es durch eigene Medien bespielen. Dabei wird er sich mit seinem langjährigen politischen Freund und Förderer Rupert Murdoch (“Fox News”), dem bis vor kurzem ausserdem nebenberuflichen Hauptfinanzier des europäischen Profifussballs, auch des deutschen, anlegen. Vielleicht stirbt der alte Murdoch (im März wird er 90) vor Trump – dann bietet sich Donald ein spannendes offenes Medienfeld für seine faschistische Mobilisierung.
Auf der anderen Seite bleibt der konservativ-demokratische, auch der reaktionäre Rest des alten GOP-Establishments. Dessen Felle schwimmen weg, wie die Wahl in Georgia, einer alten GOP-Hochburg, eindrucksvoll dokumentiert hat. Sie haben keine Mobilisierungsoption – weder in der Sache, noch personell. Wenn ihnen nichts einfällt, was sein kann, aber nicht sicher ist, wären sie zum Aussterben verurteilt. Darum war Trump für sie so “belebend” – der Ausgang dieser Option ist nun weit besser bekannt.
Und Bidens Demokraten?
Sie bekommen nun eine Hegemonie-Chance. Werden sie sie nutzen? Das würde mich überraschen. Denn vermutlich “müssen” sie die demokratischen Überreste der GOP nun inkorporieren. Der Apparat und die Führung der Partei werden auf diese Option setzen. Damit würden die fortschrittlichen, mobilisierungsfähigen linken Kräfte der Partei in der politischen Praxis erneut marginalisiert. Reaktionärem, aber auch fortschrittlichem “Populismus” würde so ein neues, noch grösseres Vakuum angeboten, Bidens praktische Politik aber signifikant nach rechts verschoben. Die Börsen dieser Welt würden das lieben. Der gestrige faschistische Mob könnte sich das als ersten Teilerfolg zurechnen.
Das liebenswerte an diesem “land of the free and the home of the brave” ist, dass es in allen Lebensbereichen über relevante Gegenkräfte, Immunabwehr und “T-Zellen” verfügt. Die bessere Option wäre ein Bündnis Bidens mit seinen Linken. Zwar hatten auch sie mit Bernie Sanders und Elizabeth Warren überalterte Präsidentschaftskandidat*nn*en aufgeboten. Ihre Kongressabgeordneten repräsentieren dagegen als Personen die Zukunft einer möglichen progressiven Politik in den USA.
Meine Prognose: bis zu den nächsten Midterm-Elections in knapp zwei Jahren werden wir einen harten, unentschiedenen Kampf zwischen diesen beiden Optionen erleben.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net