Virologie, Epidemiologie, “die” Wissenschaft – mann kann auch alles übertreiben
Wie aus zuverlässigen Quellen des Bundeskanzleramtes und der Staatskanzleien der Länder die Nachtigallen pfeifen, beabsichtigt das Coronavirus Sars-Cov2/Covid-19 in Kürze eine kurze, ca. dreitägige Pause seines unheilvollen Wirkens einzulegen. Darüber sind an die Ministerpräsident*inn*en sowie die Bundeskanzlerin gesicherte Informationen übermittelt worden. Möglich, dass der immer noch amtierende und, wie es weltweit anerkannt wird, ständig mit grossem Abstand in Gesundheitsfragen bestinformierte Präsident der USA, Donald Trump, diese Information an seinen renitenten Geheimdiensten vorbei, direkt von den ihn unterstützenden Evangelikalen-Kreisen erhalten hat, und, um Deutschland endlich zu höheren Beiträgen an die Nato und die US-Rüstungsindustrie zu drängen, an europäische politische Kreise weitergegeben hat.
Die Viruspause wird ca. zwischen dem 24. und 26.12. eingelegt. Wichtig also, dass alle Reisen, ob auf Auto- oder Eisenbahnen in diesen Tagen abgewickelt werden. Niemand soll auf den Gedanken gebracht werden, in alter Gewohnheit Weihnachts- und Neujahrsferien auf 10 bis 14 Tage zu strecken. Denn schon Silvester wird sich das Virus, da ist sich die Physikerin Angela Merkel mit dem Mediziner und Chef ihres Kanzleramtes Helge Braun völlig einig, insbesondere jugendliche Feiernde holen – wenn nicht Polizei und Ordnungsbehörden schneller sind.
Wenn Sie nun Bundesbeamt*in sind, haben sie besonderes Glück, nämlich einen bezahlten leeren Sitzplatz neben sich. Doch werden die Klimaanlagen der Deutschen Bahn diesen Belastungstest bestehen? Ist doch egal, wenn das Virus Pause macht. Jedenfalls wird es im Grossraumwagen nicht zu heiss.
Was nun mit den Menschen, die in vergangenen Jahren obdachlos, familienlos oder aus anderen Gründen allein waren? Alternativangebote für sie – ob von Obdachlosenhilfen, Kirchengemeinden, Sozialverbänden oder offengehaltenen Kneipen – bleiben selbstverständlich geschlossen und verboten: viel zu viele Menschen aus viel zu vielen “Haushalten”, also viel zu grosse Ansteckungsgefahr!
An Silvester, wenn alle wieder zuhause im eigene Haushalt sitzen und warten müssen, dass die Nacht vergeht, sendet die ARD, wg. des gestrigen grossen Erfolges (“Gott”, 3,88 Mio.) statt ausgeleierter und jahrhundertelang abgehangener Musik aus ihren tiefsten Archivkellern wieder eine televisionäre Quizshow. Das Publikum darf abstimmen, wer an den Infektionszahlen schuld ist, und Sterbehilfe verordnet bekommt. Die Versorgung der Bevölkerung mit Kartoffelchips und Alkohol wird gesichert, dass wer will, wenigstens sich selbst abschiessen kann, wenn schon das Böllern in manchen Städten verboten wird. Frauen und Kindern wird geraten, wenn sie sicher sein wollen, sich in ihren Zimmern gut einzuschliessen. Die Polizei und Ordnungsbehörden werden wie so oft keine Zeit haben, rechtzeitig zu erscheinen. Und die Frauenhäuser müssten wg. Überbelegung und Mangel an Pflegepersonal eher geschlossen als offengehalten werden. Frohes Neues Jahr!
Update am nächsten Morgen: der übliche Streit zwischen Bundeskanzleramt und Staatskanzleien der Länder scheint, wie berichtet wird, nun darum zu gehen, dass TV- und Online-Redaktionen, Talkshow-Produktionsfirmen und TV-Virolog*inn*en eine arbeits-, tarif- und produktionsvertraglich zugesicherte Arbeitspause bis zum ersten Montag des neuen Jahres, oder sogar noch eine zusätzliche Woche, geniessen dürfen. Unklar ist nun die strategische Frage, ob mit dem Virus verhandelt werden soll, ob es bereit ist ähnliche Vertragsbindungen einzugehen. Oder, ob auf seine Dienste doch schon früher wieder zurückgegriffen werden soll. Es ist Politik. Wird das Virus das akzeptieren?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net