Interview von Gert Eisenbürger/Informationsstelle Lateinamerika mit Petra Kassler von Litprom über die Förderung von Übersetzungen aus den Ländern des Südens
Seit 1980 gibt es in Frankfurt am Main die „Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika“ (Litprom). Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Präsenz von Autor*innen aus den drei Kontinenten auf dem deutschsprachigen Buchmarkt zu erhöhen. Ein Mittel dazu ist die Förderung von Übersetzungen. Wie das genau funktioniert, woher die Mittel dafür kommen und wer entscheidet, welche Titel gefördert werden, erklärt Petra Kassler im nachfolgenden Interview.

Wie werden Anfragen nach Übersetzungsförderung an Litprom herangetragen? Kommen sie von deutschen Verlagen, von Übersetzer*innen, von literarischen Agenturen, von Verlagen aus Afrika, Asien und Lateinamerika, von Autor*innen im Süden?

Das Übersetzungsförderungsprogramm funktioniert so, dass deutsche Verlage und Verlage aus der Schweiz einen Antrag stellen können. Für den betreffenden Titel, der übersetzt werden soll, muss zu dem Zeitpunkt bereits ein Vertrag mit der/dem Übersetzer*in vorliegen sowie weitere Unterlagen wie Verlagsgutachten, Übersetzungsprobe usw.; Autor*innen, Agent*innen oder Übersetzer*innen können sich nicht bewerben. Wichtig ist auch, dass Litprom ausschließlich belletristische Titel in der Übersetzungsförderung berücksichtigt, keine Sachbücher. Auf unserer Webseite gibt es alle Infos zu den erforderlichen Dokumenten und Fristen.
Auswärtiges Amt spielt wichtige Rolle
In vielen übersetzten Titeln ist der Hinweis zu lesen, dass die Übersetzung über Litprom mit Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert wurde. Ist das AA die einzige deutsche Institution, die Übersetzungen von Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika fördert, oder gibt es weitere Stellen, die dies tun, etwa Bundesländer, die beiden Buchmessen oder Stiftungen?

Unsere Spezialisierung auf diese Regionen und die Förderung entsprechender Übersetzungen aus Mitteln des Auswärtigen Amtes und des Schweizer Südkulturfonds ist einzigartig in Deutschland bzw. im deutschsprachigen Raum, soweit ich weiß. Es gibt jedoch noch andere Institutionen, die vor allem Übersetzer*innen bei ihrer Arbeit unterstützen – bei uns geht die Förderung ja an die Verlage für ihre Übersetzungen. Allerdings hat der Deutsche Übersetzerfonds aktuell ein neues Förderprogramm aufgelegt – „extensiv initiativ“ Laufzeit bis Ende 2021 -, das sogar beide Seiten berücksichtigt: die Übersetzerin / den Übersetzer durch ein Stipendium und den Verlag durch die Bezuschussung der Übersetzungskosten – das ist natürlich toll. Das Literarische Colloquium Berlin vergibt zudem Arbeitsstipendien und bietet Fortbildungsprogramme, und ein anderes Beispiel wäre das Institut Français, das mithilfe verschiedener Stiftungen dazu beiträgt, dass jährlich viele Übersetzungen aus dem Französischen ins Deutsche veröffentlicht werden, – darunter können ja auch frankophone Autor*innen aus Afrika, dem Pazifik und der Karibik sein.

Litprom wurde gerade 40 Jahre alt. Wie viele Übersetzungen von Titeln aus Afrika, Asien und Lateinamerika wurden bisher über Litprom gefördert?

Die Übersetzungsförderung betreibt Litprom seit 1984, seitdem wurde die deutsche Übersetzung von mehr als 800 Titeln finanziell unterstützt, darauf sind wir sehr stolz und arbeiten nun auf die Zahl 1000 hin! Übrigens beträgt die Anzahl der geförderten Übersetzungen bei lateinamerikanischen Titeln 216 und liegt damit knapp hinter der arabischen Welt mit 224, die den größten Anteil hat. Seit einiger Zeit kann man auf unserer Webseite im QUELLEN-Katalog auch nach geförderten Büchern suchen – allen Interessierten empfehle ich diese Datenbank, die wir ebenfalls seit bald 40 Jahren betreiben.
Kooperation mit Institutionen des globalen Südens?
Gelegentlich ist in Büchern auch zu lesen, dass die Übersetzung von einer Institution im Herkunftsland der Autorin/des Autors oder von der hiesigen Botschaft des Herkunftslandes gefördert wurde. Kooperiert Litprom bei der Übersetzungsförderung auch mit Institutionen in Afrika, Asien und Lateinamerika?

Wenn es passt, informieren wir Verlage über solche Angebote seitens der Botschaften oder ausländischer Kultur- und Literaturinstitutionen auf unserer Webseite. Durchaus werden diese Hilfeleistungen von uns gesucht, und wir sehen uns auch als Vermittler zwischen den fördernden Institutionen und den Verlagen. So zum Beispiel im Fall des Programms SUR des argentinischen Außenministeriums, das uns regelmäßig bittet, unsererseits auf die Förderung aufmerksam zu machen. Oder bei den Sheikh Zayed Book Awards, die in Abu Dhabi für arabische Literatur vergeben werden und unter anderem ein großzügiges Förderprogramm für Übersetzungen der Werke der Preisträger*innen in europäische Sprachen haben. Hier sind wir ein sehr wichtiger Kooperationspartner.
Je nachdem, welche Länder oder Regionen Ehrengast der Frankfurter Buchmesse in einem betreffenden Jahr sind, kommt es auch vor, dass wir im Sinne der Übersetzungsförderung agieren, indem wir im Auftrag des Ehrengastes auf Verlagssuche für ausgewählte literarische Werke aus der Gastregion gehen. Als Beispiele seien Indonesien und zuvor Brasilien genannt. In Brasilien gibt es unabhängig davon übrigens ein Förderprogramm, für das sich alle nicht-brasilianischen Verlage melden können, die einen Titel der brasilianischen Literatur in Übersetzung herausgeben möchten.

Erscheinen die mit Mitteln des AA geförderten Übersetzungen ausschließlich in deutschen Verlagen oder auch in Verlagen anderer deutschsprachiger Länder?

Die Mittel werden vom Auswärtigen Amt an deutsche Verlage vergeben, die bei uns einen Antrag gestellt haben. Eine unabhängige und von Litprom koordinierte Fachjury entscheidet am Ende über eine Bewilligung oder Ablehnung. Für das Übersetzungsförderungsprogramm arbeiten wir mit der Schweizer Organisation „artlink“ zusammen, sodass sich auch Verlage aus der Schweiz bewerben können. Dort stammen die Mittel vom SüdKulturFonds, der von der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit finanziert wird. Die Anträge werden für beide Länder zweimal im Jahr in einer Sitzung der besagten Jury geprüft. Hierfür holt Litprom Gutachten externer Expert*innen ein, deren Beurteilungen in die Entscheidungen einfließen. Für Österreich haben wir bisher noch keinen Partner dieser Art gefunden.

Fördert Litprom nur Übersetzungen aus den Ursprungssprachen oder auch von Büchern, die bereits einmal übersetzt wurden, etwa ein Buch einer indischen Autorin, das zunächst aus ihrer Muttersprache ins Englische übersetzt wurde, oder die spanische Übersetzung eines lateinamerikanischen Autors, der in einer indigenen Sprache schreibt und publiziert?

Wir gehen eigentlich immer von der Ursprungssprache aus, nur in Ausnahmefällen kommen auch bereits in andere Sprachen, wie z.B. ins Englische, übersetzte Bücher in die Übersetzungsförderung. Zum Beispiel wenn der Autor oder die Autorin die Übersetzung explizit vorzieht oder selbst in einer Zweitsprache geschrieben hat. Entscheidend ist das Herkunftsland bzw. der Hintergrund der Autorin oder des Autors, nicht unbedingt die Sprache. Es kommt durchaus ab und zu vor, dass ein Titel über einen „Umweg“ über eine andere Sprache, wie z.B. Englisch, zu uns kommt. Die Literaturen der Migration werden immer zahlreicher, daher werden diese Fälle zunehmen. Grundsätzlich fördern wir Übersetzungen des Originals. Anträge für Übersetzungen aus indigenen Sprachen hat es meines Wissens bisher nicht gegeben – da wird es sicher auch schwierig, eine*n Gutachter*in für die Qualität von Text und Übersetzung zu finden, mal ganz zu schweigen vom/von der Übersetzer*in selbst …
Rückübersetzung deutscher Migrant*inn*en-Literatur?
In den letzten Jahren sind eine Reihe spannender Bücher deutschsprachiger Autor*innen mit arabischen, kurdischen oder lateinamerikanischen Hintergründen erschienen. Gibt es Überlegungen, die Übersetzung solcher Texte ins Arabische, Kurdische oder Spanische zu fördern, um sie auch Leser*innen in diesen Sprachregionen zugänglich zu machen?

Das ist eine interessante Idee und auf jeden Fall wünschenswert, damit die Förderung keine Einbahnstraße bleibt, sondern wirklich ein kultureller Dialog daraus wird. Bei Litprom ist ein solches Großprojekt zurzeit nicht konkret geplant, letztlich würde das aber natürlich von bereitgestellten finanziellen Mitteln abhängen. Selbstverständlich würden wir gern mit den Kulturinstitutionen in den jeweiligen Ländern und Regionen kooperieren. Das Goethe-Institut hat z.B. ein Förderprogramm, das Übersetzungen deutscher Bücher in eine Fremdsprache und ausländische Verlage bei der Publikation deutscher Literatur unterstützt. Und ich habe gesehen, dass der Deutsche Übersetzerfonds in Deutschland lebende Übersetzer*innen deutschsprachiger Literatur in andere Zielsprachen fördert in Form sogenannter Radial-Stipendien aus dem 2020 aufgelegten Programm „Neustart Kultur“. Das sind dann Arbeits-, Reise- oder Weiterbildungsstipendien.
Im Augenblick widmen wir uns bei Litprom weiterhin der Verbreitung von Weltliteraturen im deutschsprachigen Raum. Das bleibt vorerst unser „Kerngeschäft“, da kennen wir uns am besten aus, um hier bei uns möglichst viel Diversität in die literarische Landschaft und auf den Buchmarkt zu bringen. Das allein ist schon eine Riesenaufgabe, die wir mit ganz unterschiedlichen Aktivitäten verfolgen.
Petra Kassler hat die Fragen von Gert Eisenbürger schriftlich beantwortet. Vom 19. April bis 11. Juni 2021 wird Litprom in der Philipp-Schaeffer-Bibliothek in Berlin-Mitte in einer Ausstellung etwa 80 Bücher aus dem Übersetzungsförderungsprogramm und der Litprom-Bestenliste „Weltempfänger“ zeigen. Dazu wird es eine begleitende Veranstaltung geben. Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus ila 442 Feb. 2021, hrsg. und mit freundlicher Genehmigung der Informationsstelle Lateinamerika in Bonn. Zwischenüberschriften wurden nachträglich eingefügt.

Über Informationsstelle Lateinamerika (ILA):

Die Informationsstelle Lateinamerika e. V. (ila) ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz im Oscar-Romero-Haus in Bonn. Das Ziel des Vereins ist die Veröffentlichung kritischer und unabhängiger Informationen aus Lateinamerika. Der Schwerpunkt liegt auf Nachrichten und Hintergrundinformationen aus basisdemokratischer Perspektive. Die Informationsstelle Lateinamerika begreift sich als Teil der politischen Linken und engagiert sich in übergreifenden politischen Bündnissen wie der Friedens- und Antikriegsbewegung oder Attac. Der Verein besteht seit 1975 und gibt die gleichnamige Zeitschrift ila heraus. Alle Beiträge im Extradienst sind Übernahmen mit freundlicher Genehmigung.