Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Schlagwort: Goethe-Institut

Eine starke Zivilgesellschaft

Ein Gespräch mit dem slowakischen Autor Michal Hvorecky über die ersten 100 Tage der Regierung unter Robert Fico

„Bloß trafen erneut Politiker Entscheidungen über die Vergangenheit. Die Oberhoheit über die Geschichtsschreibung zu erlangen, wurde zu einer der Hauptbestrebungen der Regierung.“ (Michal Hvorecky, Tahiti.Utopia, aus dem Slowakischen von Mirko Kraetsch, Stuttgart, Tropen, 2019)

Die absolute Herrschaft über die Geschichte ist ohne die Herrschaft über Medien und Rechtsstaat kaum denkbar. In seinem kontrafaktischen Roman „Tahiti Utopia“ wandern die Slowaken nach Tahiti aus, eine nicht ganz unrealistische Geschichte, denn der slowakische Gründer der Tschechoslowakei Milan R. Štefánik, hatte tatsächlich eine Zeitlang auf Tahiti verbracht. Weiterlesen

Das nicht Sprechbare

Gedanken über die Erfahrung, in Israel gecancelt zu werden. Und warum es wichtig ist, den Missbrauch von Holocaust-Gedenken zu benennen

Als ich in den frühen 90er Jahren nach Israel reiste, bezahlte Yad Vashem mein Flugticket. Zum ersten Seminar über den Holocaust in deutscher Sprache, ein symbolischer Einschnitt, wurde eine kleine Gruppe von Pädagogen und Journalistinnen eingeladen, die aus israelischer Sicht taugliche Multiplikatoren des Gedenkens waren. Am Ende bekamen wir ein Zertifikat; ich habe es aufbewahrt. Es bedeutete mir etwas. Weiterlesen

Nur einmal blitzt Hoffnung auf

Dreimal reiste Andreas Rost nach Afghanistan. Seine Fotografien des Alltags dort zeigt er jetzt im Haus am Kleistpark

„Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt.“ Der Spruch, der Bundesverteidigungsminister Peter Struck 2004 berühmt machte, kennzeichnet den Umgang mit dieser Region. Im Westen wird das gebirgige Reich in Zentral­asien meist als globalstrategisches Faustpfand gesehen. Zbigniew Brzezinski, der Sicherheitsberater des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy CARTEr, ließ sich Anfang der 1980er Jahre gar demonstrativ mit einer Kalaschnikow am Khyber-Pass ablichten. Weiterlesen

800 Titel in 40 Jahren

Interview von Gert Eisenbürger/Informationsstelle Lateinamerika mit Petra Kassler von Litprom über die Förderung von Übersetzungen aus den Ländern des Südens
Seit 1980 gibt es in Frankfurt am Main die „Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika“ (Litprom). Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Präsenz von Autor*innen aus den drei Kontinenten auf dem deutschsprachigen Buchmarkt zu erhöhen. Ein Mittel dazu ist die Förderung von Übersetzungen. Wie das genau funktioniert, woher die Mittel dafür kommen und wer entscheidet, welche Titel gefördert werden, erklärt Petra Kassler im nachfolgenden Interview. Weiterlesen

Äthiopien / Indien / Thailand

Äthiopien im Krieg / Indien ist eine Pandemie / Thailand in Revolution
Madlen Hornung/Jungle World berichtet über den Krieg der äthiopischen Zentralregierng mit der Provinzregierung von Tigray. Die ausgeübten Grausamkeiten sind scheinbar blind für das Grossfeuer, das sie in der Region auslösen können. Der Friedensschluss mit Eritrea muss nicht von Dauer sein. Die Kriegsgründe mit dem nicht mehr existierenden Somalia bestehen gesellschaftlich und politisch bis heute fort. In Dschibuti befindet sich die vielleicht grösste internationale Zusammenballung militärischer Stützpunkte und Zerstörungskraft. Und mit den nördlichen Nachbarn Sudan, Südsudan und Ägypten gibt es einen virulenten Konflikt um die Nilwasser-Politik. Wen juckt das, ausser die Betroffenen? Nun ja, liebe Flüchtlingsfeinde: Weiterlesen

Ein System aus Willkür und Unrecht

Seit über einem Jahr sitzt der Istanbuler Philantrop Osman Kavala in Haft. Aus Deutschland bekommt er viel Unterstützung.

„Es schmerzt, zu erkennen, dass ein Staat keinen Wert auf die Freiheit der eigenen Bürger legt.“ Kein Funken Verzweiflung lag in dem Satz, den Osman Kavala seinen Freunden Mitte Oktober aus dem Gefängnis schrieb. Stattdessen gab er sich so, wie man ihn kennt: mit klarer politischer Haltung, ohne übertriebenes Aufheben von seiner Person zu machen. Grund dazu hätte er: Seit über einem Jahr sitzt der Istanbuler Ex-Unternehmer nun in demselbem Gefängnis im Haft, in dem schon Deniz Yücel und Peter Steudtner einsaßen. Weiterlesen

“Ruanda ist nicht dieser Film”

Nicht alles an der Entwicklungspolitik ist schlecht. Noch nicht mal alles, was die bundeseigene GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) mit Sitz in Bonn so anstellt. Ihre und des Goethe-Instituts Unterstützung für den Aufbau einer eigenen Filmbranche in Ruanda wurde letzten Freitag im Deutschlandfunk in einem sympathischen Feature vorgestellt.
Es nährt den Verdacht, dass in dem Land, das 1994 einen der schlimmsten Völkermorde seit dem deutschen Holocaust erlebte, bei allen aktuellen Demokratiemängeln etwas Neues entsteht, ganz ohne Marschallplan und Wirtschaftswunder.
Der Völkermord war das katastrophale Ergebnis von Interessengegensätzen der einstigen und heutigen (“Einflusszonen”) Kolonialmächte. Jetzt versuchen die Deutschen über die Kulturschiene ins entstandene Einflussvakuum zu stossen. Ruanda verspricht mit “stabiler” Regierung eine kreative ökonomische Wachstumszone zu werden.

Mexiko-Fußball / Spatzen / Bullen / Hass

Mexiko spielt seit vielen Turnieren regelmässig bei WMs mit und immer eine wichtige Rolle in amerikanischen Kontinentalmeisterschaften; die USA rangieren bis heute im Fußball da drunter. Sein nationaler Fußballmarkt ist unter dem amerikanischen Grosskapital bereits aufgeteilt und hemmt, auf allerdings besagtem global wettbewerbsfähigem Niveau, die sportliche Weiterentwicklung wie das Fußball-Fachblatt Handelsblatt analysiert.
Enthüllungen gegen die Fifa in BILD? Da liegt die Frage nahe: wem nützt es. Der Fußball ist längst Gegenstand globaler Strategien der Weltpolitik und verdeckter Strippenzieher. Mitleid gegen Russland und Katar und ihre jeweiligen Diktatoren ist sicher nicht angebracht, das macht ihre Gegner in den USA und Saudi-Arabien (und bei BILD) allerdings keinen Deut sympathischer – hier Fifa-Experte und everybody’s enemy Jens Weinreich im Interview mit der Funke-Mediengruppe.

Spatzen – Cord Riechelmann beschreibt in der FAS die historische Entwicklung unseres Verhältnisses zu ihnen. In meiner Kindheit galten sie als minderwertig gegenüber “Singvögeln” (Meisen, Rotkehlchen, Finken), heute versetzt uns ihr “Verschwinden” in ökologische Furcht. Weiterlesen

Für alles offen!

von Wolfgang Hippe

Besprechung mehrerer Bücher von oder mit Harald Welzer

Zu den vielverwendeten politischen Schlagworten der letzten Jahre gehört das Wort von der „Offenen Gesellschaft“ – kein Politiker, kein Feuilletonist mag auf Dauer darauf verzichten. Dabei begleitet diese Rede die deutsche Politik schon länger. Seit den 1970er Jahren haben sich alle BundeskanzlerInnen alternativlos zu dieser Popper’schen These und ihren Implikationen bekannt. Der kritische Rationalist lehnte krudes „Stammesdenken“ ab, das für „geschlossene Gesellschaften“ typisch war – hier verortete er neben dem „Nationalstaat“ auch das Gerede vom „auserwählten“ Volk, der „auserwählten“ Klasse oder der „auserwählten“ Rasse. Utopien und Visionen waren ihm ein Greul. Wer Visionen hat, sollte besser zum Arzt gehen, empfahl deshalb einer der Amtsinhaber seinem Publikum. Über die Jahre wurde die einstige „Soziale Marktwirtschaft“ und der Sozialstaat immer offener gestaltet und grenzüberschreitend nach dem Motto „Wettbewerb überall zuerst“ neoliberal umgebaut. Doch jetzt, wo wir im „postmateriellen“ und im „postideologischen Zeitalter“ angekommen sind, gilt es, „eine neue Utopie“ (!) zu entdecken und sich aus „den ideologischen Klauen eines über den Kommunismus triumphierenden Kapitalismus“ zu winden, hin zur „offenen Gesellschaft“ (!) – so einer ihrer Freunde. Drei aktuelle Bücher widmen sich dem Thema auf ihre Art. Weiterlesen

Türkei

Es gibt ein neues ambitioniertes Magazin namens “Renk”, vorgestellt in der taz.
Ingo Arend treibt sich lieber in Istanbul als in Berlin rum. Das kann ich nachvollziehen. Hier sein aktueller Rumtreiber-Bericht aus der Kunstszene, die sich nach dem Putschversuch in einem Kontrollvakuum freier bewegen kann als gedacht.
Diesen Eindruck macht auch eine vom Goethe-Institut mitinspirierte Initiative namens Actopolis, die sich an vielen Orten, u.a. in Ankara betätigt. Beeindruckende Bildsprache, auch aus dem Ruhrgebiet.
Lalon Sander erinnert an das Barbarentum des Weissen Mannes, der eben immer genau weiss, wovon er spricht.
Und der Slawe Trojanow versucht, zu befürchten ist: weitgehend vergeblich, uns Germanen die Sache mit der Angst noch mal zu erklären.

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