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Bergfeld hat Sekte am Hals

Axel Bergfeld ist nicht nur ein Lokalprominenter. Er hat sich zweifellos auch schon um diese Stadt verdient gemacht. Bei der Verbreitung von Biolebensmitteln war er Lokomotivführer, als der Zug noch nicht von alleine fuhr. Und als menschgewordener Widerspruch gegen monstergrosse Kapitalisten, wie der wirtschaftskriminelle René Benko einer geworden ist. Damit hat er sich um die politische Hygiene über die Grenzen unserer Kleinstadt hinaus verdient gemacht.
Ich schreibe das, ohne ihn, über einzelne Telefonate hinaus, persönlich zu kennen. Ich weiss nicht, ob er ein guter oder schlechter Mensch ist. Die Frage ist schon falsch gestellt. Jede*r von uns ist beides. Die individuelle Bewertung ist kaum objektivierbar, sondern persönliche Geschmackssache.
Es ist also durchaus möglich, dass er als Arbeitgeber und Verfüger über Produktionsmittel ein A….loch ist. Biohandel schützt davor bekanntlich nicht. Grüne und Ökos sind auch nur Menschen, keineswegs “bessere”, das kann ich bezeugen. Jetzt hat Bergfeld also die FAU am Hals, eine nach eigenem Verständnis anarchosyndikalistische Sekte, die so gerne eine Gewerkschaft wäre. Hat er das mit seinem Verhalten begünstigt? Das muss er sich zuvörderst selber fragen.
Zum Geschäftsmodell der FAU gehört eine messerscharfe Analyse, welche Problemfelder mit überdurchschnittlichem Wachstumspotenzial von den DGB-Gewerkschaften, in der Regel von ver.di, fahrlässig oder aus allgemeiner Entkräftung und intellektueller Bräsigkeit übersehen werden.
Und da die FAU ausser der “Revolution” nichts erreichen will, an praktischem Fortschritt heute statt morgen also desinteressiert ist, kann sie sich für den einen oder anderen Arbeitgeber zu einer gefährlichen Zecke entwickeln. Schwache sind leichter zu schlagen als Starke. Vonovia, nur mal so als Beispiel, ist für die FAU zu gross, da soll sich der Mieterverein drum kümmern; Revolutionäre haben dafür keine Zeit, dauert zu lange. Und wo die moralische Latte höher liegt, wird sie auch leichter gerissen.
Hat Bergfeld nun Mitleid verdient? Das müssen Sie selbst entscheiden.
Ich verfolge als freundschaftlich gesonnener Kunde bisweilen das betriebliche Geschehen im Beueler Momo, bin mit zahlreichen Beschäftigten und auch dem Eigentümer Raoul Schaefer-Groebel gut bekannt. Wie gut oder schlecht er als Arbeitgeber ist, weiss ich nicht. Kein aufbrausender Charakter, aber zu professionell-kaltem Lächeln durchaus in der Lage. Bei zahlreichen Dutzend Beschäftigten, einer Beueler Arbeitsplatzmaschine, können schwere Konflikte nicht ausbleiben. Da ich Stammkunde in der Firmenkantine bin, sind zornentbrannte Mitarbeiter*innen nicht zu übersehen, und auch nicht zu überhören. Beunruhigender für mich wäre, wenn das nicht so wäre.
Dann würde der Sektenverdacht keimen, den ich sehr lange in den kleinen Gründungs- und Kollektivjahren des Momo hegte (eine damalige Slowfood-Freundin aus Köln nannte den Laden damals “schrammelig”). Ich wurde erst Stammkunde, als der Laden zum (inhabergeführten) Supermarkt expandiert und professionalisiert war. Auf missionarische Heuchelei verzichte ich nämlich gerne – seit ich 1970 aufgehört habe, Messdiener zu sein.
Bergfeld und seinen Mitarbeiter*inne*n wünsche ich eine gelingende Mediation. Die ist bei der FAU nicht im Sortiment.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Peter Kramer

    Dass “die FAU außer der “Revolution” nichts erreichen will” sehe ich so nicht, die Unterstützung des Arbeitskampfs bei Spargel Ritter in Bornheim im Mai 2020 hatte für die betroffenen Erntehelferinnen durchaus konkrete Verbesserungen ihrer Lage zur Folge. Nach meiner Beobachtung wäre es ohne die Öffentlichkeitsarbeit und logistische Unterstützung der FAU deutlich übler ausgegangen. Was den weltanschaulichen Hintergrund angeht würde ich die Latte nicht zu hoch hängen, einer der engagiertesten und ausdauerndsten Kämpfer gegen die Zustände in der Fleischindustrie ist der katholische Pfarrer Peter Kossen. Dessen “Sekte” ist -leider- deutlich bedeutender, sein Engagement ist trotzdem immens hilfreich. Lassen wir diesen Leuten ihre jeweiligen Utopien, meine sieht noch mal anders aus.
    Was den Fall Bergfeld angeht, könnte es nicht auch sein, dass die Schließung einer Filiale ohne Betriebsrat einfach billiger und/oder einfacher ist?

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