Sagt man in Köln, wenn einer andere so richtig über den Tisch gezogen hat. Gestern zeigte das ZDF in einem sehenswerten Dokumentationsbeitrag viel über das Verhältnis von Elon Musk zur Umwelt. Bekanntermaßen will der zweitreichste Mann der Welt in Brandenburg eine Fabrik für seine Elektroautos bauen – in einem Trinkwasserschutzgebiet. Die Landesregierung und selbst der eigentlich Ur-Grüne Umweltminister Axel Vogel – wir kennen uns aus der ersten Bundestagsfraktion, die noch “Die Grünen” hieß – scheint gewillt, der kapitalistischen Dampfwalze Musk Tür und Tor zu öffnen und dabei die Wasserversorgung einer ganzen Region östlich von Berlin zur Disposition zu stellen.
Dabei wird ignoriert, dass Elon Musk sich noch nie wirklich an ökologische und soziale Standards gehalten hat. Musk betreibt robotisierte Industriewerke, erwartet von Mitarbeiter*innen in den USA eine 80-Stundenwoche und zahlt gerade mal 19 $ pro Stunde – weniger als andere US-Automobilhersteller. Er zahlt schlecht und schert sich wohl wenig um Umweltgesetzgebungen. Seine Reaktionen auf die Konfrontation mit Fragen zum Wasserverbrauch sind oberflächlich und marginalisierend. Die Tatsache, dass sein Werk riesige Mengen an Wasser verbrauchen wird, aus einer Region abzieht, die jetzt schon jährlich an Waldbränden leidet, in der durch Klimawandel bedingt der Grundwasserspiegel sinkt, kann oder will er nicht so richtig verstehen. Stattdessen bramabasiert er mit irgendwelchem Halbwissen, es sei kompliziert, der Braunkohletagebau, die Grube habe wohl das Wasser enthalten, und wäre jetzt trocken aber – “diese Bäume, die würden ja nicht wachsen, wenn es hier kein Wasser gäbe.” Und so einer baut Marsraketen und selbstfahrende Autos?
Dokumentation wird zur Charakterstudie
In ihrem Verlauf entwickelt sich die Doku zu einer interessanten Charakterstudie der Beteiligten. Dass die Landesregierung Brandenburg zulässt, dass Musk bereits Hektar um Hektar Wald fällen und darauf bauen lässt, obwohl es noch immer keine gültige Baugenehmigung gibt, ist eine verwunderliche Tatsache. Dass offensichtlich die Mischung aus eloquentem Staubsaugervertreter und rücksichtslosem Raffzahn, der in seinem Größenwahn auf vielen Hochzeiten tanzt – explodierende Marsraketen eingeschlossen – bei eigentlich soliden Politikern wie Axel Vogel und SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke nicht auf ein Mindestmaß an Vorsicht und Misstrauen stößt, kann nur verblüffen. Entweder ist es die eingebildete, jeden Argwohn betäubende Witterung von Goldstaub in den Jacketfalten beim persönlichen Kontakt mit einem Milliardär. Oder es erklärt sich aus der politischen Verzweiflung und Ratlosigkeit, in einer der langweiligsten Regionen im Umland von Berlin, attraktive Wirtschaftsansiedlung zu betreiben.
“Bild” und viel Wind
Das großspurige Auftreten Musks vor Ort, die Inszenierung seiner Investitionsabsicht natürlich mit der “BILD”-Zeitung und TV-Sternchen wie der unvermeidlichen Barbara Schöneberger, das Kleinreden von Problemen angesichts von so viel Prominenz, erinnern an die Auftritte und Verhaltensmuster von angeblich kongenialen Managern wie Thomas Middelhoff, Nicolas Berggruen und René Benko. Musk ist ein ähnlicher Spielertyp wie diese Zeitgenossen, hat mit Tesla schon mehrfach am Rande der Pleite gestanden, konnte Liefertermine und Produktionsankündigungen nicht einhalten, was die Tesla-Aktie in eine Art Fahrstuhlpapier verwandelte, mit dem es immer mal wieder rasend auf- oder abwärts geht. Automobilexperten kritisieren die schlechte Verarbeitung seiner Fahrzeuge und sicher ist eine seiner Motivationen, nach Deutschland zu kommen, dass er hofft, hier die qualifizierten Mitarbeiter zu finden, die ihm bei der Überwindung der Schwachstellen seiner Hardware helfen können.
Zwielichtige Managergeneration
Middelhoff, hoch geehrt als “Manager des Jahres”, regierte Bertelsmann, bis ihn Firmenpatriarch Reinhard Mohn 2002 entließ, weil ihm seine Finanzpraktiken mißfielen. Nach kurzen Intermezzo in der Finanzindustrie wurde er Chef von Arcandor, das damals die Firmen Karstadt, den Neckermann-Versand und den Reiseveranstalter Thomas Cook umfasste. Er ruinierte Karstadt durch den Verkauf der Immobilien an internationale Heuschrecken wie Goldman-Sachs, Deutsche Bank und unter anderem den Oppenheim-Esch-Fonds des “Kölschen Klüngel”, an dem Middelhoff selbst beteiligt war. Karstadt brach zusammen, weil der Konzern die horrenden Mieten für die verkauften Immobilien nicht mehr zahlen konnte. Middelhoff wurde anschließend wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe im offenen Vollzug verurteilt. Inzwischen zieht er, so insolvent wie angeblich geläutert, wieder durch die Talkshows bei “Lanz” und Co.
Berggruen, als Retter bei Karstadt eingestiegen, versprach, dass Karstadt keinen Arbeitsplatz verlieren und er keine einzige Filiale schließen werde. In Wirklichkeit presste er das Letzte aus dem Konzern heraus, kaufte die Marken, um sie zu Geld zu machen. Er entließ letztlich viele langjährige Angestellte, denen er zuvor Zugeständnisse und Lohnverzicht in dreistelliger Millionenhöhe abgepresst hatte, und am Ende wurde es offensichtlich, dass er unterm Strich keinen müden Cent in die Warenhausgruppe investiert hatte. Er verkaufte Karstadt schließlich an den österreichischen Multimilliardär René Benko. Benko erwarb 2013 auch die Kaufhof Warenhäuser, bzw. was noch davon übrig war, und treibt seitdem die Schrumpfung und Schließung der fusionierten Warenhausketten voran. Benko wurde 2012 wegen Schmiergeldzahlungen vom Landesgericht Wien zur bedingten Haftstrafe von einem Jahr verurteilt und versuchte wiederholt, Veröffentlichungen dieser Tatsache in der Presse zu unterdrücken.
Ökologisches Verhalten Fehlanzeige
Die ZDF-Dokumentation über Musks Verhalten rund um das Tesla-Projekt in Brandenburg zeigt durchaus gewisse Parallelitäten im Verhalten einer “neuen” Manager-Generation, die Profit über alles stellt, sich aber dabei ökologischer und sozialer Mäntelchen bedient. So hat sich Elon Musk in den vergangenen Monaten intensiv an der Spekulation um die Internet-Währung BITCOIN beteiligt, was unter ökologischen Gesichtspunkten zu den größtmöglich kontraproduktiven Wirtschaftsaktivitäten zählt, weil der Schöpfungsprozess von Bitcoins Unmengen von Strom verbraucht und vornehmlich auf Rechnern stattfindet, die in China oder in Teilen der USA stehen, die Kohlestrom konsumieren. Nach Meinung von Umweltschützern hat er damit mehr CO² erzeugt, als seine Elektroautos in den nächsten Jahrzehnten einsparen können. Zumal auch diese nicht mit reinem Ökostrom fahren. Vom ökologischen Rucksack der Lithium-Batterien der E-Autos ganz zu schweigen.
Herrisches Auftreten
Auch mit der Einhaltung von Gesetzen nimmt es Elon Musk nicht immer so genau. So wetterte er im Frühjahr 2020 auf dem Gipfel der Pandemie im Mai über die drastischen Maßnahmen, die in Kalifornien wegen der Corona-Pandemie verhängt wurden und drohte, seine Werke zu verlegen. So bezeichnete er Ausgangsperren als “faschistisch, nicht demokratisch”und verlegte den offiziellen Firmensitz nach Nevada und Texas. Die Frage ist, wie in einem solchen Fall künftig die brandenburgische Landesregierung reagieren wird, wenn er, falls ihm etwas nicht in den Kram passt, einfach nach MeckPomm oder Polen umzieht. Ohnehin wollte er ursprünglich, so zeigt die Doku, gar nicht nach Brandenburg, sondern nach Berlin “Mega Berlin”- des Namens und der Hauptstadt wegen. Kein Wunder, scheint er doch vor allem auf den äußeren Schein bedacht zu sein, während ihn Details nicht interessieren oder er sie lieber ignoriert. Das gilt nicht nur für den Wasserverbrauch seiner zukünftigen Fabrik.
Keinen Meter legal fahren
Auch die Europäischen Datenschutzbestimmungen der DSGVO scheinen für Musk geduldiges Papier zu sein. So hat kürzlich das Netzwerk Datenschutzexpertise nachgewiesen, dass TESLA-Autos rollende Datenstaubsauger sind, die so viel über ihre Nutzer*innen und ihr Verhalten speichern, dass sie eigentlich keinen Meter legal auf europäischen Straßen rollen dürften. Das Gutachten “Datenverarbeitung und Datenschutz bei Tesla-Fahrzeugen” analysiert, wie Tesla-Fahrzeuge Telematikdaten, Fernanalysedaten, “weitere Fahrzeugdaten”, Wartungshistorie, Daten über Ladestationen, Navigationsdaten und “kurze Videoaufnahmen von den Außenkameras des Fahrzeugs” sowie Beschleunigungs-, Brems- und Lenkverhalten und somit ggf. gesamte Bewegungsbilder speichert, und an die Firma Tesla übermittelt. Acht Kameras gewährleisten eine Rundumüberwachung im Umkreis von 250 Metern. USB-Schnittstellen ermöglichen eine Auswertung dieser Daten. Bei Daimler werden solche Daten z.B. über Ampeln oder Menschen außerhalb des Fahrzeugs verpixelt. Bei Tesla können sie sogar biometrisch ausgewertet werden. Die Modelle Y und 3 verfügen über eine Innenraumkamera, die in Europa angeblich abgeschaltet ist. Die AGB, die der Käufer unterschreibt, teilen nur mit, dass Tesla vielfältige Daten erhebt, aber nicht welche, in welchem Umfang und wozu. Damit verstößt Tesla klar gegen die Datenschutzgrundverordnung. Der ehemalige schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Dr. Thilo Weichert bezeichnet Tesla als “dauernd aktive Datenschleudern mit Langzeitgedächtnis.”
Zurück nach Brandenburg. Von “Frontal 21” auf die Probleme mit dem Grundwasser angesprochen, reagierte Musk mit der Bemerkung, “man würde ja gar nicht immer so viel Wasser verbrauchen”. Wenn er es mit dem Wasser so genau nimmt, wie mit den Daten von Kunden , dann werden Woidke und Vogel sowie die Brandenburger noch viel Freude an Elon Musk haben.
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