Andreas Förster gehört für mich zu den satisfaktionsfähigen Journalisten, wenn es um staatliche Verbrechen und solche ihrer Geheimdienste geht. Er hat das Milieu zu einer Zeit, in der ich bei der Anti-Apartheid-Bewegung lernte, von innen kennen gelernt, und danach den fachlich begründeten Schluss gezogen es abzulehnen. Seitdem, oder zumindest seit ich ihn lese (ca. 1990), bekämpft er es journalistisch. So auch mit seiner Freitaggeschichte über einen Mister “Kennedy”/”Stone”, dessen Untaten es sogar vor ein deutsches Gericht schaffen.
Die Untaten des genannten Mister spielten sich überwiegend in den Nullerjahren ab. Er ist kein Einzelfall, sondern würdiger Repräsentant seiner Branche. Die Verwunderung seiner Observationsopfer angesichts der Tatsache, dass sie nie was Illegales getan haben, verwundert mich.
Mein Jugendverband Jungdemokraten gelangte in den 80er- und 90er-Jahren sogar in die öffentlichen offiziellen Inlandsgeheimdiensts(“Verfassungsschutz”)-Berichte. Wir haben das gefeiert. Dokumentierte es doch, dass “sie” uns für so kritisch/gefährlich hielten, wie wir selbst es von uns nie geglaubt hatten. Das Beobachtetwerden von “denen” war also eine Stütze für unser kollektives Selbstbewusstsein und unsere innere Solidarität. Aus den Jahrzehnten zuvor (bei mir persönlich seit 1973) sind mir aus meinem NRW-Wirkungskreis allein drei “informelle Mitarbeiter” dieser grundgesetzwidrigen Banden namentlich bekannt, die wir durch soziale Kontrolle und direkte Konfrontation “enttarnen” konnten. Eine alte Freundin von mir war mit einem von denen verheiratet und hatte ein gemeinsames Kind mit ihm. Ich vermag nicht zu beurteilen, inwieweit sie das traumatisiert hat – äusserlich zeigte sie sich stark und konsequent daraus lernend.
Unsere “Waffe” gegen die Infiltration solcher Typen (die ich kannte, waren alle Männer) war radikale Öffentlichkeit aller Organisationsaktivitäten und -gremien. Wenn es um Austausch von Informationen über Geheimdienstmanöver ging, wurden Büroräume verlassen und übersichtliche Parkanlagen zum Zwiegespräch aufgesucht, in Innenräumen zur Not auch mal das Radio laut gestellt – wie im Kino. Politisch hatten wir angesichts in der BRD geltender Rechtsstaatsbedingungen Gewaltaktionen sowieso offensiv abgelehnt und in politischen Bündnissen bekämpft – anders als individuelle Agents Provocateurs, die wir schnell zu identifizieren lernten.
Die “Waffe” strikte Öffentlichkeit wandten später auch die Grünen nach ihrer Gründung lange an. Es ist noch gar nicht sooo lange her, dass sie damit aufhörten (Traumatisierung durch “böse” Medien u. ähnl.). Damit wird mann für infiltrierte Agenten natürlich ein umso leichter missbrauchbares Opfer. Die eigene Paranoia wird dadurch ungesund verstärkt. Für wohlverstandene linke demokratische Politik ist Öffentlichkeit immer eine Stärke, keine Schwäche.
Der Zusammenhalt der AfD wird durch das öffentliche Gewese, das Inlandsgeheimdienst und Medien um sie gemacht haben, ebenfalls gestärkt worden sein. Es hat sie ausweislich der meisten Umfragen auch nicht wirklich geschwächt. Wenn sich dazu überhaupt was Positives fantasieren lässt, dann dass es in der CDU, die gewiss an das Gute “ihres” Geheimdienstes glaubt, Hemmungen zur Zusammenarbeit mit der AfD geringfügig stabilisiert haben könnte. Dass selbst Jacobin-Autoren dem Inlandsgeheimdienst eine darüber hinausreichende öffentliche Autorität zuordnen, sagt mehr über sie aus, als über die Agentenbande. Linker Journalismus von heute.
Qua Konstruktion und Selbstverständnis fürchten Geheimdienste Öffentlichkeit und öffentliche Kontrolle. Sie personifizieren das Gegenteil von Transparenz und Dienstbereitschaft für Demokratie in Staat und Gesellschaft. Wer immer unter Linken und Liberalen glaubt, sie seien ein potenzielles Instrument für das demokratische “Gute”, ist ein Träumer, und sollte sich von Gremien, die sich fachlich damit beschäftigen, besser fernhalten. Das Aufwachen würde zu schmerzhaft.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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