Da sitzen sie jetzt am Telefon und in den Hinterzimmern der CDU und der CSU zusammen und starten eine Intrige nach der anderen. Schicken einen Heckenschützen nach dem anderen vor, um ihren gerade gewählten CDU-Vorsitzenden zu demontieren. Die einen heucheln, dass die Union zusammengehalten werden muss und deshalb müsse Laschet Kanzleranditat sein. Und die anderen – nicht nur Söder – heucheln, dass sie nur für die Union das Beste wollten, indem sie Söders populistischen Putsch á la “Wunderwuzzi Sebastian Kurz” unterstützen, der dann bundesweit unter “Liste Söder” antritt. Infam, wie Söder erst erklärt, er werde sich daran halten, wenn die CDU denn Laschet will, werde er zurückziehen – und anderntags ist alles anders.
Krieg ohne Rücksicht auf Verluste
Welch ein Zufall: Noch einen Tag drauf in der gemeinsamen Bundestagsfraktion, melden sich alle Söder-Freunde zu Wort. Donnerstags tritt dann bei “Lanz” Politversager Ramsauer* auf, der sich nicht beherrschen kann, die Kanzlerin anzupinkeln, die ihn wegen Unfähigkeit als Verkehrsminister entlassen hat: Weil sie keine Partei ergreife – “könne man meinen, sie wARTE gerade darauf, doch nochmal gerufen zu werden.” Das ist kein “Machtkampf zweier hervorragender Kandidaten”, wie Wolfgang Schäuble verbissen zu beschwichtigen versucht. Nee: die CSU führt einen schmutzigen Krieg gegen die CDU. Mit Fallgruben, Tiefschlägen, Nebelkerzen, Zeitbomben, Spiegelfechtereien und allen erdenklichen miesen Tricks aus der Kiste derjenigen Partei, in der Politik schon immer am schmutzigsten war. Von den Wahrheitsministern Strauß, über Tandler, Wiesheu, Söder, zu Guttenberg, bis Dobrindt, Scheuer und Markus Blume. Und sie führt ihn ohne Rücksicht auf den Höhepunkt einer Pandemie als “Volkspartei”, der das Schicksal der Menschen scheinbar egal ist.
Die Union, ein Kanzlerwahlverein
Die Union ist keine Partei mit programmatischen Grundsätzen, sondern ein Kanzlerwahlverein. Das war unter Adenauer so, das war unter Kiesinger und Kohl so und ist unter Merkel nicht anders. Das, was die Union zusammenhält ist Macht. 1969 war die erste Regierungsperiode der CDU/CSU am Ende, weil Altersstarrsinn und Reformunfähigkeit drohten, die Bundesrepublik außenpolitisch ins politische Abseits und innenpolitisch ins Chaos zu führen. Die Reformen, die die damaligen Jungdemokraten erst der FDP durch Mobilisierung linker Mehrheiten abgerungen haben, und die in die “Freiburger Thesen” mündeten, führten erst zur Entmachtung nationalliberaler kalter Krieger wie Mende, Kienbaum und Zoglmann und dann zur Entmachtung der CDU/CSU durch die erste sozialliberalen Koalition. Der sozialliberalen Reformpolitik, die den autoritären Adenauerstaat in eine liberale und soziale Gesellschaft führte, hatte die CDU/CSU außer Obstruktion inhaltlich nichts entgegenzusetzen.
Schwarz-Gelb: 16 Jahre Macht und Korruption
Die CDU dümpelte im Machtvakuum, demontierte selbst ihre Vorderen, Rainer Barzel scheiterte an der eigenen Partei, Helmut Kohl versuchte es aus Rheinland-Pfalz und wurde von Franz-Josef Strauß gemobbt. Schon damals zeigte sich: die CDU hat keine Grundsätze, sie ist ein Kanzlerwahlverein, wird allein zusammengehalten durch den Willen zur Macht. Helmut Kohl wäre niemals aus eigener Kraft Kanzler geworden, hätte ihm nicht eine verräterische und erneut korrumpierte FDP – dies kam in der Flick-Affäre ans Licht – 1982 per Mißtrauensvotum die Kanzlerschaft verschafft. Die Querelen in der Union (“Helmut Kohl ist total unfähig, er wird nie Kanzler werden” – Franz-Josef Strauß 1976) hörten erst auf, als es wieder Posten zu verteilen gab. Nebenbei: Helmut Kohl hat niemals während seiner 16 Jahre Kanzlerschaft hohe Popularitätswerte genossen, im Gegenteil stand er weit hinter Genscher, Johannes Rau, Norbert Blüm und sogar Oskar Lafontaine. Als “Birne” verspottet, fuhr er Wahlsiege ein.
Kohl war nie populär
Schon 1989 war Helmut Kohl eigentlich politisch am Ende. Tschernobyl und Waldsterben zeigten das beginnende Ausmaß der ökologischen Katastrophe, die Wirtschaft stagnierte. Die Folgen der Privatisierung von Post und Bahn, die neoliberalen Umwälzungen der Wirtschaft, sowie der permanente Sozialabbau hatten nicht zur sozialen Verbesserung geführt. Da kamen Mauerfall und der Zusammenbruch der DDR 1989/90 wie ein Himmelsgeschenk der abgewirtschafteten schwarz-gelben Regierung zu Hilfe: der Vereinigungsprozess, den Kohl und Genscher mit Hilfe von Gorbatschow wirklich gut gestalteten, die Gier der Mehrheit der Ostdeutschen nach der D-Mark und Konsum, sowie der Taschenspielertrick Helmut Kohls, die Einheit nicht über Steuererhöhungen, sondern über die ruinöse Belastung der Sozialversicherungssysteme zu finanzieren, sicherten ihm die Macht bis 1998.
Machtverlust und moralischer Zerfall im Spendensumpf
Nach dem Wahlsieg von Rot-Grün 1998, der ähnlich wie die sozialliberale Koalition 1969 eine CDU/CSU-Herrschaft beseitigte, die notwendige Reformen jahrelang versäumt, das Land unter Filz, Korruption und Bereicherung der Reichen erstickt hatte, zerfiel die CDU/CSU abermals wie schon Anfang der 70er Jahre. Hinzu kamen die Spendenaffäre Kohls, Schäubles und Dreggers, Bestechungsgelder aus der Wirtschaft im Zuge der Einheit, die berühmten Spender, denen Kohl sein “Ehrenwort” gegeben hatte, sie nicht zu verraten, die “jüdischen Vermächtnisse” in Hessen und die Geldkoffer des Rüstungslobbyisten Karl-Heinz Schreiber, die er bei Wolfgang Schäuble abgegeben, die dieser aber niemals entgegengenommen haben wollte. Wieder war die CDU/CSU nach ihrem Machtverlust am Ende. Es folgte das bekannte Machtspiel zwischen Merkel und Stoiber 2002, aus dem die CDU-Vorsitzende dank ihrer klugen Intention, Stoiber 2002 den Vortritt zu lassen, als Gewinnerin hervorging.
Merkels Schachzug und Machterfolg
Als 2005 Gerhard Schröder nach der NRW-Landtagswahl mit einem unsäglichen Kandidaten Steinbrück die Nerven verlor, statt die Schlappe auszusitzen, konnte Merkel am Wahlabend triumphieren. Sie schmiedete ohne Ansehen der Inhalte mit der ersten GroKo ein Bündnis der Macht. Und sie hat es danach 16 Jahre weitergeführt und dabei soziale Reformen durchgeführt, gleichgeschlechtliche Partnerschaften zugelassen, ist aus der Atomenergie ausgestiegen und hat in der Flüchtlingskrise Kurs gehalten und unbeirrt am “wir schaffen das” festgehalten – und ich bin überzeugt, dass sie erfolgreich gewesen wäre, hätten nicht Seehofer und Söder gegen sie intrigiert, sie öffentlich vorgeführt und demontiert, um sich bei den Rechtsextremisten anzubiedern. Sie hat politische Entscheidungen durchgesetzt, die ihr viele Grüne und Linksliberale ihrer Generation niemals zugetraut hätten. Sie hat sich und der Union eine Basis und Anerkennung mitten in der Gesellschaft geschaffen. Diese endet mit ihrer Amtszeit.
Den Schuss nicht gehört
Die CDU/CSU betritt, wenn sich nun zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik kein*e Kanzlerin zur Wiederwahl stellt, vollkommenes Neuland. Das scheinen viele noch nicht realisiert zu haben. Es gibt keine Erbhöfe mehr, kein “Weiter so” und es gibt vor allem in der CDU/CSU ein Machtvakuum. Und natürlich ein inhaltliches Vakuum, weil die Union ein Kanzlerwahlverein war, ist und immer sein wird. Wäre es nicht so, hätte die Partei vieles niemals zulassen dürfen, was die Kanzlerin durchgesetzt hat. Da gibt es nun einen frisch gewählten Parteivorsitzenden Laschet, MP in NRW, der kein Programm hat, außer mit der neoliberalen NRW-FDP zu koalieren und in Nibelungentreue zur Braunkohle. Und einen intriganten, ehrgeizigen MP Bayerns, der zuhause wenig Glück hat, die absolute Mehrheit verloren hat, auch in der Pandemie in Bayern nicht besonders erfolgreich ist, aber als Hallodri ohne Grundsätze um so telegener und charmanter über die Pandemie zu plaudern versteht, und den “harten Hund” schauspielert, der er nicht ist. Und der mit einer strategisch eingefädelten Intrige derzeit die CDU zu übertölpeln versucht.
Inhaltsleerer, ratloser Hühnerhaufen
Inhaltlich ist über die beiden Kandidaten dabei so gut wie nichts festzumachen. Dass sich nun plötzlich Merz, Linnemann und andere CDU-Wirtschaftskreise für Laschet stark machen, könnte so interpretiert werden, dass die Kräfte, die auf eine Koalition mit der FDP spekulieren, und wollen, dass Neoliberalismus und die Umverteilung von unten nach oben nach 16 Jahren auch nach Corona einfach so weitergeht, auf Laschet setzen. Dass die, die am stärksten um Listenplatz oder Direktwahlkreis fürchten, nun in Söder ihren Erretter vor miesen Wahlergebnissen sehen, hat dagegen mit Inhalten nichts zu tun. Söder ist ideologisch noch weniger festgelegt, als Laschet, er ist zu sozialen Wahlgeschenken von der Elternförderung bis zum Baukindergeld nie abgeneigt, er nimmt das “S” in der CSU durchaus ernst. Es gibt keine Linie und keine Strategie. Die Union ist – wie nach 1969 und 1998 – ein ratloser Hühnerhaufen, der den Machtverlust spürt und fürchtet, aber keine Lösung sieht.
Ewige Regierungspartei?
Deshalb ist das derzeitige Gezerre mehr als ein Machtkampf kleingeistiger CDU-Machos. Der offene Machtkampf ist ein Zeichen für die Schwäche und Inhaltsleere der letzten “Volkspartei”, die ihren Aktiven und Mitgliedern im Kern nichts zu bieten hat, als die Teilhabe an der Entscheidung über die Machtfrage. Alle Beschwörungen der Marktwirtschaft und sozialer Errungenschaften, ja sogar die Verantwortung für eine Bewältigung der Pandemie, wie sie Kanzlerin Merkel immerhin noch in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt, treten hinter einen rücksichtslosen und mit allen Mitteln ausgetragenen Machtkampf zurück. Damit verspielt die CDU/CSU ihren letzten Kredit und legt die eigentliche Arroganz ihres Anspruchs offen: zu glauben, dass die nach 16 Jahren Regierung erschöpfte Union, sei es mit ihrem ewigen Steigbügelhalter FDP oder zur Not auch mit erstarkten Grünen, die selbst schon viel zu lange mit Schwarz-Grün liebäugeln.
Die Union ist am Ende
Die demokratischen Oppositionsparteien, allen voran die Grünen, haben immer noch nicht realisiert, dass mit dieser Union kein Staat und vor allem keine Regierung mehr zu machen ist. Die Weltsicht der Union, die keine politischen Prinzipien mehr kennt, darf nicht über 2021 hinaus die Richtlinien der Politik in Deutschland bestimmen. Diese Union ist nicht Merkel, sie ist nur Klammern an die Macht. Nach sechzehn Jahren hat das Land einen Politikwechsel und einen Regierungswechsel verdient. Wenn es die SPD nicht mehr kann, müssen es eben die Grünen machen, die es ohnehin besser können. Merkel hat – im Gegensatz zu Kohl – viele Sachen gut gemacht und es ist ihre historische Stärke, selbst abzutreten. Aber zur Demokratie gehört der Wechsel – wie können manche glauben, mit einer CDU-FDP-Koalition unter Laschet einfach weitermachen zu können? Und auch die Grünen sollten sich gut überlegen, ob ihre bisherige Strategie, sich als Juniorpartner in einem schwarz-grünen Bündnis zu empfehlen und ihre Programme und Strategien darauf auszurichten, sich nicht als kapitaler Fehler erweisen könnte.
* Ramsauer begann in seiner Amtszeit drei politische Desaster: Stuttgart 21, den Flughafen BER und die “Ausländermaut”.
Und Dobrindt und Scheuer führen die Desaster von Ramsauer weiter. Das muss endlich enden!