Verschönern Sie sich Ihr Wochenende mit Denys Arcands “Der unverhoffte Charme des Geldes” (ARTE)
“Wenn die Programmplanung das alleine entscheiden könnte, würde jeden Abend eine Abfolge ‘Tagesschau’, ‘Tatort’, Talkshow, ‘Tagesthemen’ gesendet, und zwar nur diese Sendungen. Weil alles andere irritiert und ist lästiger, also, irgend so einen Dokumentarfilmer auf dem Hals zu haben, der mal jahrelang an einem Produkt arbeitet, das ist einfach lästig. Also, das läuft im Grunde wie geschmiert. Und es ist ein bisschen eine mentale Prostitution von allen Beteiligten, weil jeder etwas davon hat: die Moderatorinnen werden bekannt, die Produktionsfirmen verdienen gut, die Gäste werden prominent, wenn sie es nicht schon sind – also, das ist so ein System, eine Versicherung auf Gegenseitigkeit, die ziemlich gut funktioniert. Also, dagegen treten diese Effekte, was lerne ich daraus oder wird den Leuten etwas beigebracht oder wird Politik durchsichtiger – sehen wir einmal vom Habitus der Politiker ab, da glaube ich schon, dass sich die Leute da sehr ein Urteil bilden, wie ein Politiker aussieht, wie er agiert –, aber jetzt unabhängig von Inhalten im Grunde, das ist eher sekundär. Im strukturfunktionalen Sinne, um’s mal so soziologisch zu sagen, funktioniert es einfach gut für das gute alte Programmfernsehen.” So Lutz Hachmeister in der DLF-Sendung „MedienquARTEtt“ (transkribiert von der Medienkorrespondenz).
Das lässt sich verschärfen. Es müsste immer sowas wie der “Münster-Tatort” sein, der höhere Einschaltquoten als der Fussball schafft. Weil dessen Konzept so populär wurde, dachte sich die ARD vor knapp 10 Jahren, es müsse noch mehr, am besten nur noch “Humorkrimis” geben – wohingegen “Experimental-Tatorte” streng begrenzt werden müssten. Vor allem die mit dem Tukur schafften meistens nur Quoten, die weniger als halb so fett waren, wie die aus “Münster”. Die damals von mir verrissene Vorabendreihe “Heiter bis tödlich” war kaum heiter. Ausser die Folgen aus Bayern, “Hubert und Staller”, sowie extrem grossartig dank eines grossartigen Ensembles (allein Luise Kinseher – zum Niederknien) “München 7”. Ausgerechnet dieses beste Stück wurde früh beendet – wahrscheinlich war es zu teuer. Die wenig heitere Reihe ist zum Glück in erster Linie tot, und modert in den Dritten Programmen in Wiederholungen weiter, weil das so schön billig ist.
Dieser ganze televisionäre Verkehrsunfall war vor allem eins: deutsch. Ganz ähnlich der Impfstrategie. Oder dem DFB. Oder der CDU. So eine Art Andy Scheuer, auch was den Preis betrifft.
Wie es geht, das weiss Denys Arcand. ARTE schenkte uns gestern sein “Der unverhoffte Charme des Geldes (La chute de l’empire américain)” von 2018 (ein Monat Mediathek). Schönes Land (Kanada), schöne Stadt (Montreal), schöne Menschen (meine Favoritin: die lesbische Bullin von Maxim Roy), schöne Botschaft (Kapitalismus ist schlecht). Und märchenhafter Schluss (also auch für die ältere Generation verkraftbar). Wenn Sie nicht so viel Blogs lesen wollen, und ihre Stimmung der Aufhellung bedarf, gucken Sie das. Gerne auch vor der Tagesschau, z.B. anstelle der langweiligen Sportschau.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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