Wie immer sind Recherchen des SZ-Kollegen Thomas Kistner ein Quell unerschöpflicher Informationen. Sie spielen in der “grossen” Politik, der der ganz Grossen. Und werden von seiner Redaktion immer im Sportteil verborgen. Ich hole also Kistners Informationen hier hervor.
Wenn Gianni Infantino der Boden in der Schweiz “zu heiss” wird – und dazu gehört schon Einiges, dass das passiert – in Paris aber nicht, was sagt uns das? Das der Staatspräsident vermutlich persönlich für den Schutz von Don Gianni garantiert. Was veranlasst ihn dazu?
Ihm droht im nächsten Jahr eine Wahlniederlage. Ihre Bedeutung würde weit über Frankreich hinausreichen, und die ganze EU destabilisieren. Sie ist bereits durch den Austritt des UK derangiert. Die ehemalige deutsch-französische Achse, die zu Schröders und Chiracs Zeiten bis nach Moskau reichte, ist nahezu komplett demontiert. Es droht im Welthandelskrieg – hoffentlich nicht Schlimmeres – zwischen USA und China ein Europa als politischer Trümmerhaufen.
Der Zwergstaat und die gleichzeitige Kapitalgrossmacht Katar ist zur Diversifikation ihres aus Öl und Gas gewachsenen Reichtums in Europa gross investiert, u.a. Deutsche Bank und VW. Der Emir-Clan der Al Thanis kann sich eine Abschreibung dieses Risikos nicht leisten. Er weiss aus Oligarchenerfahrungen von Gabun bis Libyen, dass französische Politik günstig und gewinnbringend zu kaufen ist.
So haben alle was davon: die Fifa, die sich für den Weltfussball hält, das französische Grosskapital, das bei den ganz Grossen mitspielen will, der Präsident, der umfangreiche Mittel für seine Wiederwahlkamapgne benötigt, die EU, die nicht zerbröselt werden will, und damit auch die Bundesregierung, egal in welcher Koalition, die die Atommacht Frankreich zum Mitspielen benötigt, um nicht zu einem belächelten Zwergstaat in der globalen Konkurrenz zu werden.
PS: die sozialistische und sozialdemokratische Linke hat sich in Frankreich so sektiererisch selbst zerlegt, wie sie es in Deutschland tut. Keine hinreichende, aber notwendige Bedingung, dass es zu so ekelhaften Zuspitzungen überhaupt kommen kann.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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