Stiefel und Satzbau in der Katastrophenpolitik
Es ist ein grosses Glück für Bonn, dass es bisher (angeblich/scheinbar) kein Todesopfer nach dem Regen der vergangenen Woche gab. Meine ganze persönliche Einschränkung bestand darin, dass ich an einem einzigen Tag nur bis zum Edeka kam. Jedes Einschlafen im warmen Beueler Bett empfand ich als grosses Glück. Denn in vielen Orten, die es zum Teil jetzt gar nicht mehr gibt, bin ich mit meinem Fahrrad ein- oder mehrmals gewesen, insbesondere an der Ahr und dort in Sinzig. Ein klimapolitisches “Siehste” fällt mir unter diesen Umständen schwer. Zum Rechtbehalten habe ich mich hier schon geäussert.
Selbstverständlich muss aber noch in diesem Wahlkampf die Debatte geführt werden, was uns “das Wetter” mit dieser Katastrophe sagen wollte. Was sind die Lehren? Was die Konsequenzen? Gestern beim Stammtisch von Karl Uckermann war das sofort Thema: was bedeutet das, was wir diese Woche hier erlebt haben, was in anderen Weltregionen noch weit mörderischer passiert? Unser Land kann die Welt nicht retten. Aber es ist reich, und hat weit grössere Möglichkeiten, nicht nur Lehren sondern auch Konsequenzen zu ziehen.
Adelige verstehen sich via ihrer adeligen Erziehung mehr als der Plebs auf Understatement. Wenn also ein adeliger FAZ-Kommentator Zensuren erteilt, dürfen wir Plebejer*innen davon ausgehen, dass der Herr vom Fach ist: “Die Gratwanderung ist nicht jedem gegeben: Sichtbar sein, um Führung auszustrahlen, aber nicht so sichtbar, dass es so wirkt, als wolle man nur gesehen werden.” Das hat der adelige Kommentator unter ein mikrofonbewehrtes Foto des Kanzlerkandidaten Laschet drucken lassen. Als Teaser, bevor der vertiefende Text hinter der Bezahlmauer verschwindet, verkündet die Redaktion dieses Herrn: “Der Starkregen wird in Zukunft noch extremer – Klimaforscher raten, mit Katastrophen wie jetzt in Westdeutschland leben zu lernen. Politiker fordern Anpassungen in der Stadtplanung. Versicherer erwarten eine Verschlimmerung der Lage.”
Das sagt die mehrheitlich CDU-nahe FAZ. Dann muss ich es ja nicht mehr schreiben.
Wer hilft uns nun politisch am besten aus dem “Schlamm-assel” raus? Wie immer hat Friedrich Küppersbusch dazu eine eigene Meinung.
Und ich dazu meine ganz eigene irreal-utopische Idee. Hier in NRW ist sie weniger im Bild. Aber die wenigen Male, in denen sie erschien, atmete ich auf, als sei es eine Aufwärmung in dem Katastrophen-Medien-Gewese. Wo die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu sehen war, wirkte sie nicht wie ein Besuch aus der Fremde, aus einer fernen Hauptstadt (Kunststück in dem kleinen Bundesland), sondern wie “eine von uns”. Und das trotz ihrer gesundheitlichen Behinderung, die kein Geheimnis ist, aus der sie aber ebenso wenig ein PR-Gewese macht. Dieser Text des von mir ungeliebten Reinhold Michels in der von mir ebenso ungeliebten Rheinischen Post ist 9 Jahre alt. Alles, was sich seitdem ereignete, und was diese Politikerin getan hat, deutet darauf hin, dass sie ein ähnlich zäher Brocken ist wie Wolfgang Schäuble. Nur nicht so rechts.
Liebe Sozialdemkrat*inn*en, wenn die kandidieren würde, könnte ich schwach werden.
Was Malu Dreyer betrifft, kann ich Martin nur zustimmen. Ich wohne nicht mehr in Rheinland-Pfalz, aber was ich von ihr mitbekomme, gefällt mir. Zu behaupten sie zu kennen, wäre übertrieben, wir sind uns einige Male über den Weg gelaufen, haben paar Sätze ausgetauscht. Auch persönlich finde ich Frau Dreyer sehr sympathisch. Übrigens trifft das aus meiner Sicht auch auf den Kölner Rolf Mützenich zu. Ich hoffe, der wird wieder gewählt als Fraktionsvorsitzender oder taucht in der nächsten Bundesregierung auf. Das fände ich gut, von mir aus am liebsten in einer Koalition mit den Linken oder einer u.a. von den Linken tolerierten Minderheitsregierung. Die würde den Parlamentarismus wieder aufwerten.