Ein Beratergremium von Wirtschaftsminister Altmaier hat kürzlich vorgeschlagen, das Renteneintrittsalter an die allgemeine Lebenserwartung zu koppeln. Bis etwa 2042 würde es damit auf 68 Jahre steigen. Damit würde die wachsende Lebenserwartung im Verhältnis von etwa zwei zu eins zwischen längerem Arbeiten und längerer Rente aufgeteilt.
In eine weitergehende Richtung zielen die Vorschläge der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), einer im Jahr 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründeten und von Arbeitgeberverbänden finanzierten Lobbyorganisation. Nach deren Vorstellungen soll die Regelaltersgrenze ab 2031 jedes Jahr um zwei Monate nach hinten geschoben und ab 2052 mit 70 Jahren konstant gelassen werden.
Nun mag es recht einfach sein, die Auswirkungen solcher Vorschläge auf die Rentenbeiträge, den Zuschussbedarf und die Rentenhöhe zu berechnen. Ungleich schwieriger dürfte es sein, die gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Folgen zu ermessen, wenn plötzlich ein kompletter Jahrgang (oder gar zwei oder drei Jahrgänge) an Rentner/innen fehlt.
Sie sind nämlich ein Rückgrat unserer Gesellschaft. Fast jeder Vierte ist 60 Jahre oder älter. Ohne die Rentner/innen würde vieles zusammenbrechen. Dabei denke ich nicht nur an ihre Kaufkraft (30 % aller Konsumausgaben stammen von Personen über 60), sondern auch an ihre vielfältigen Aktivitäten. Die Leistung der Großeltern bei der Enkelbetreuung kann man gar nicht hoch genug einschätzen.
Und sie sind unternehmungslustig. Blicken wir doch mal auf die Volkshochschule. 40 % der Besucher/innen sind Rentnerinnen und Rentner. Nebenbei sind sie auch die Retter des Öffentlich-Rechtlichen Fernsehens. Die Zahl der Zuschauer/innen im Seniorenalter ist in den letzten 13 Jahren um 20 % gestiegen.
Oder wir gehen in den Stadtwald. Wen treffen wir da? Rentnerinnen und Rentner. Manchmal noch Hunde, Mountainbiker und Jogger. Die Mountainbiker sorgen dafür, dass die Rentner beweglich bleiben. Wie fit viele Rentner/innen heute noch sind, kann man übrigens sehen, wenn im Supermarkt die zweite Kasse geöffnet wird.
Schauen wir mal auf den Friedhof. Auf die Wege, nicht in die Gräber. Fast nur Rentner/innen. Das ist jedoch nachvollziehbar. Die einen schauen, was ihre alten Bekannten so machen. Andere wollen schon mal die Gegend kennenlernen. Vielleicht treibt manche sogar ihre Überlebensfreude dorthin.
In den Straßencafés findet man bei schönem Wetter kaum einen Platz. Überall sitzen Rentner/innen. Schon Udo Jürgens hat es besungen: „Mathilde, Ottilie, Marie und Liliane. Aber bitte mit Sahne.“ Ähnliche Erfahrungen kann man auch beim Weihnachtsmarkt machen. Da drängen sich die Rentnerinnen und Rentner so eng um die Glühweinstände, dass man nüchtern nach Hause gehen muss
In den Gottesdiensten sitzen sowieso nur Rentnerinnen, manchmal ein Rentner. Das Durchschnittsalter der Besucher/innen liegt bei 57. Der Pfarrer kennt die meisten persönlich. Heiligabend ist es besonders ausgeprägt. Da beschweren sich die Familien mit Kindern, die einmal im Jahr zur Kirche gehen, dass die Rentner/innen ihnen alle Plätze wegnehmen. Manche Seniorenresidenzen reservieren gleich acht bis zehn Reihen.
Mehr als die Hälfte aller Kleingärten gehören Rentner/innen. Das ist eine beachtliche Leistung: Landwirtschaftliche Betätigung im hohen Alter! Rentnerinnen und Rentner nutzen vor allem dann ihren Kleingarten, wenn die Wartezimmer (wo sie kostenlos Illustrierte lesen können) überfüllt sind.
Waren Sie schon mal auf einer Kreuzfahrt? Das Durchschnittsalter liegt bei 55. Junge Leute kann ich nur warnen. Da die Rentner/innen meinen, alle Fahrgäste wären in ihrem Alter, werden jüngere Leute automatisch als Bedienungspersonal eingestuft. Die Veranstalter von Ausflugswerbefahrten sind sogar zu 100 % auf Rentner/innen angewiesen. Ohne sie würde eine komplette Branche sterben. Selbst bei seltenen Ereignissen liegen die Senior/innen vorn. Nur sie feiern Goldene Hochzeit, und beim Enkeltrick machen nur Rentner/innen mit.
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