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Corona für Anfänger

Am 23. Februar 2020, also vor genau eineinhalb Jahren, wurden in Italien die ersten beiden Euro­päer Opfer der Corona-Pandemie. Mich hat sie bisher verschont. Auch in meinem Bekannten­kreis ist keiner ernsthaft erkrankt. Obwohl die weitaus meisten zur sogenannten Risiko­gruppe gehö­ren. Um fair zu bleiben, muss man auch die positiven Seiten der Pandemie anerkenn­en. Dabei mei­ne ich nicht die oft erwähnte Minderung der Umweltbelastungen und der Verkehrstot­en, sondern an­dere Effekte:

• Viele Menschen waschen sich erstmals regelmäßig die Hände.
• Atemmasken verhindern blöde Bemerkungen.
• Die Küsserei bei Begrüßungen hat aufgehört.
• Es gibt schulfrei.
• Bei Geisterfußball kommen keine Hooligans.
• Heinsberg ist europaweit bekannt geworden.

Corona ist zudem eine demokratische Errungenschaft: Es befällt Reiche und Arme, Frauen und Männer, Chinesen und Amerikaner gleichermaßen. Die Wohnungsprobleme haben sich allerdings verschärft. Beim Horten von Klopapier haben viele gemerkt, wie klein ihre Wohnung ist.

Die Querdenker heißen so, weil sie nicht geradeaus denken können. Kürzlich hat mich einer ge­fragt, ob ich an Corona glaube. Natürlich, habe ich gesagt. Dann fragte er, ob ich Corona schon mal gesehen, gehört oder angefasst hätte. Ich verneinte. Siehst Du, meinte er da, also gibt es Corona gar nicht. Nun fragte ich ihn, ob er sein Gehirn schon mal gesehen, gehört oder angefasst habe. Nein, antwortete er. Siehst Du, sagte ich ….

Ganz spannend sind die vielen Erklärungsversuche

Donald Trump behauptet, Corona sei ein in China entwickelter chemischer Kampfstoff, um die USA zu schwächen. Vor allem Übergewichtige würden daran sterben. In den USA gehören fast 50 % der Menschen zu dieser Risikogruppe. So raffiniert sind die Chinesen.

Evangelikale und andere Sekten sehen in Corona eine Gottesstrafe, wahlweise ein Werk des Teu­fels. Oder den Beginn des Weltuntergangs. Der katholische Kardinal Ludwig Müller sieht Kräfte, die in der Bevölkerung (Zitat) „dauerhaft Formen inakzeptabler Freiheitsbegrenzung und Kontrollen über Personen verwirklichen wollen“.

Der Vorsitzende der Werteunion (einer kleinen konservativen Gruppe innerhalb der CDU) erklärte Corona zur Medienkampagne und nannte sie „die neue Greta“ . AfD und BILD haben ein Vier-Punk­te-Programm erarbeitet: 1. Die Gefahren überzeichnen, 2. Verwirrung stiften, 3. Angst und Panik schüren, 4. den Migranten die Schuld geben.

Verschwörungsanhänger behaupten, dass das Virus von geheimen Mächten entwickelt und freige­setzt wurde. Obwohl es ja eigentlich gar nicht existiere. Und wenn überhaupt, so sei es nur eine Art Grippe. Schade, dass die damit nicht recht haben.

Großes technisches Verständnis weisen jene auf, die Corona für eine Erfindung halten, die die ge­sundheitsschädlichen Auswirkungen des Mobilfunkstandards 5G vertuschen soll. Um die Verstrah­lung zu verhindern, trägt man dann einen Aluminiumhut. Gerüchte besagen, dass auch Angela Mer­kel einen solchen Hut besitze. Sie trage ihn jedoch nicht, um ihre Mitgliedschaft in der Geheimge­sellschaft der Echsenmenschen zu verschleiern.
Die Lösungsvorschläge zur Pandemie sind vielfältig
Alkohol hilft. Der Chef des Deutschen Brauerbundes sagte: “Der pH-Wert von Bier ist schädlich für das Coronavirus”. Andere schwören auf Nikotin. Wahrscheinlich hilft auch jedes anderweitige Suchtverhalten, z.B.Drogenkonsum, Spielsucht oder Magersucht. Selbst abwegige Ernährungswei­sen werden empfohlen: Zwiebeln, Knoblauch und Globuli. Aber alles vorher braten oder frittieren.

Einer schreibt im Internet, man solle mindestens zwei Minuten die Luft anhalten. Wer dann nicht hustet, ist gesund. Von mir aus kann der die Luft noch viel länger anhalten. Und diejenigen, die ei­nen Aufenthalt bei Eis und Schnee für wirksam halten, sollten sich mit jenen zusammentun, die Sonnenbaden mit mindestens 25 Grad empfehlen.

Dem Einfallsreichtum sind offenbar keine Grenzen gesetzt. So soll sogar die Einnahme von Desin­fektionsmitteln und Urin eine wirksame Methode sein. Damit all die guten Ideen gesammelt und propagiert werden können, haben Coronaleugner/innen eine eigene Partei gegründet. Als ob wir nicht schon genügend Parteien hätten.

Wo es geht, wird auf Home Office umgestellt. Auf Deutsch: Home Office. Hier ein paar Beispiele:
Der Steuerprüfer prüft seine eigenen Steuererklärungen.
Der Pfarrer schreibt eine Gardinenpredigt für seine Frau.
Die Lokführer streiken.
Die Türsteher stehen sich gegenseitig im Wege.
Der Bademeister liegt zuhause am Swimmingpool.
Der Rentner bleibt dort, wo er immer war.
Nur die Politessen arbeiten leider nicht im Home Office.

Und was machen wir? Wir freuen uns, dass die Spargelstecher aus Osteuropa einreisen dürfen, dass wir beim Baden im Meer keine Maske tragen müssen, dass wir im neuen Jahr wieder schun­keln dürfen und dass Brauereien zu den systemrelevanten Betrieben zählen. Ansonsten gel­ten die Rhei­nischen Lebensweisheiten:
• et is wie et is
• et kütt wie et kütt
• et is noch immer jutjejange
Anm.d.Red.: der Autor ist aus Aachen. Hier am Rhein heisst es meines Wissens “et es noch emer jotjejange”. Aber ich bin auch nur Imi. Konvertit*inn*en sollen ja die Schlimmsten sein ….

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.

Ein Kommentar

  1. rudolf schwinn

    Danke, sehr geehrter Dr. Herr Jüttner,
    für diesen absolut stress-abstinenten Text. Dessen Lektüre bereitet – für kostbare Momente – gute Laune in düsterer Zeit.
    Martin Böttger, dem Editor dieses einmaligen Mediums, Dank für die Publikation.
    Beste Leser-Grüsse,
    rudolf schwinn.

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