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Grüne: Wählt links!

Angesichts des Risikos des Scheiterns der Linken an der 5%-Klausel (das ZDF-Politbarometer vom 24. Sept. 2021 sieht die Linke bei 6 %) ist ein Blick auf ein Politikfeld geboten, das durch eine Äußerung der Grünen Spitzenkandidatin Annalena Baerbock plötzlich zur Schlüsselfrage einer möglichen Koalitionsbildung geworden ist – die künftige Rolle Deutschlands in der internationalen Sicherheitspolitik.

Es ist schon einigermaßen skandalös, dass die grüne Spitzenkandidatin in der Schlussrunde von ARD und ZDF in den Chor derjenigen eingestimmt hat, die von den Linken ein „klares Bekenntnis“ zur Nato fordert. Wie opportunistisch und geschichtsvergessen kann man sein?
Es ist 50 Jahre her, dass Friedenspolitiker der SPD aus der Phalanx der kalten Krieger ausgeschert sind und die Eckpunkte einer neuen Entspannungspolitik formuliert haben. Damals schallte es von Rechtsaußen: „Willy Brandt an die die Wand“. Heute klingt das mit erstinstanzieller Billigung eines deutschen Verwaltungsgerichts so: „Hängt die Grünen“.

Es ist fast 40 Jahre her, dass grüne Politikerinnen und Politiker in Mutlangen gegen die Nato-Nachrüstungslogik demonstriert haben und Schwerter zu Pflugscharen war das Symbol der DDR-Friedensbewegung, ohne die es Bündnis 90 nicht gegeben hätte.

Ernsthafte Debatten über eine neue Friedenspolitik heben im Wahlkampf nicht stattgefunden, obwohl das Afghanistan-Debakel eindrücklich gezeigt, dass es an der Zeit ist, die Außen- und Sicherheitspolitik grundsätzlich neu aufzustellen.

Wenn sich der Beitrag der Grünen dazu in einem „klaren Bekenntnis zur Nato“ erschöpft, kann man an ihrer Politikfähigkeit zweifeln.

Die Linke bezeichnet die Nato als Anachronismus, weil sie aus der Zeit und der Logik des Kalten Krieges stammt. Und sie verschlingt Unmengen von Geld, das friedensfördernd womöglich an anderer Stelle besser eingesetzt wäre.

Darüber und über eine Neuaufstellung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik im Rahmen von Koalitionsverhandlungen zu debattieren, wäre nicht das schlechteste, was Deutschland passieren könnte.

Und wie erfrischend klar war die Antwort von Janine Wissler in der Schlussrunde von ZDF und ARD auf die Koalitionsfrage: Wir werden Armin Laschet nicht zum Kanzler und Christian Lindner nicht zum Finanzminister wählen.

Annalena Baerbock konnte sich zu einer solchen klaren Aussage nicht durchringen.

Eine Koalition des Weiterso mit ein paar kleinen Schönheitskorrekturen wird weder in der Klimapolitik noch in der Außen- und Sicherheitspolitik noch in der Gerechtigkeitsfrage die notwendige Neuausrichtung bewirken. Selbst wenn man also die Linke in vielerlei Hinsicht kritisch bewertet, liegt in einem guten Wahlergebnis für sie die einzige Chance zu einem wirklichen Politikwechsel und der Hebel, den Königsmacher Lindner mit einem Kanzler Laschet zu verhindern.

Also, liebe links-grünen Wählerinnen und Wähler! Wenn Ihr nicht wollt, dass Eure Stimme am Ende bei Laschet und Lindner landet, müsst Ihr diesmal die Linke wählen, auch wenn es vielleicht ein bisschen weh tut.

Über Dr. Hanspeter Knirsch (Gastautor):

Der Autor ist Rechtsanwalt in Emsdetten und ehemaliger Bundesvorsitzender der Deutschen Jungdemokraten. Er gehörte in seiner Funktion als Vorsitzender der Jungdemokraten dem Bundesvorstand der F.D.P. an und war gewähltes Mitglied des Landesvorstands der F.D.P. in NRW bis zu seinem Austritt anlässlich des Koalitionswechsels 1982. Mehr zum Autor lesen sie hier.

Sie können dem Autor auch im Fediverse folgen unter: @hans.peter.knirsch@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Gernot G. Herrmann

    Danke, lieber Hanspeter Knirsch! Kommt ´was spät, aber immerhin. Mir ist in derselben Sendung aufgefallen, dass A. B. auf die Frage, wie sie es mit bewaffneten Drohnen halte, sinngemäß antwortete, dass sie zustimmen würde, wenn es einen vernünftigen Grund gebe. Nun fehlt mir die Hoffnung, dass sie das sagte, weil sie sich in Wirklichkeit keinen vernünftigen Grund vorstellen könne. Vielmehr glaube ich, dass sie Bundeswehr, Nato und Auslandseinsätze geil findet (sofern sie gut begründet werden).
    Und deshalb am Sonntag die Linke wählen. Ich habs gemacht, tut garnicht weh!

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