Lehrreiche Kommunisten-Geschichten
In den 70er und 80er Jahren hatte ich im Bereich der Student*inn*en- und der Friedensbewegungspolitik viel mit Kommunist*inn*en zu tun. Ihr Fleiss und ihre Arbeitsdisziplin beeindruckten mich. Abgeschreckt hat mich dagegen, wie die Organisation ihre individuelle Persönlichkeit im Wortsinne frass. Manche, die mit autoritärer Persönlichkeit, ordneten sich dem genussvoll unter. Die Sympathischeren, Netteren litten darunter, oder zerbrachen gar. Manche schon 1986 durch die Tschernobyl-Katastrophe, spätestens 1989/90, als die materielle Absicherung durch die DDR zusammenbrach. Dieser Lebensstil erschien mir immer unakzeptabel.
Er ist jedoch keine kommunistische Besonderheit. Viele Elemente begegneten mir bei den Grünen wieder. Und schreckten mich bis 1989 ab. Das Religiöse, das Missionarische, konnte ich mit emanzipatorischen Ansprüchen nicht in Einklang bringen. Typisch Bürgerlicher.
Berufsbiografisch war das für mich ein wichtiger Schutz. 1990-2005 pendelte ich zwischen Bonn-Beuel und der Grünen Landtagsfraktion in Düsseldorf. Engagiertes Arbeiten machte mir dort durchgehend Spass. Die Arbeitszeit spielte keine Rolle, weil es für ein politisches Ziel, einen guten Zweck war. In jener Zeit war das Pendeln per Deutsche Bahn (überwiegend) ein Genuss. Es war mein Umschalten vom politischen auf den privaten Modus, 2006-2016 setzte sich das mit dem Überqueren der Kennedybrücke fort, das ich auch für die tägliche Mittagspause praktizierte. Die unpolitischen, privaten Kontakte in Beuel, nicht wenige über den geteilten Fussballfanatismus, sicherten mir alltagskulturellen Austausch mit Menschen, die mit meiner dienstlichen Politblase nichts am Hut hatten.
Exakt das ist es, was der Berliner Hauptstadtblase fehlt. Sie ist innerhalb Berlins schon im Bezirk Berlin-Mitte isoliert. Und zusätzlich durch die Tatsache, dass nicht mehr, wie zu Bonner Zeiten, 30-40% der Parlamentarier*innen täglich nachhause und an die Basis pendeln können, sondern weniger als 10% (in Brandenburg wohnt nämlich keine*r; das ist, den Speckgürtel um Berlin mal ausgenommen, alles ziemlich leer). Die Mehrheit des Parlaments hat höchstens an Wochenenden noch Chancen zum Alltagskontakt mit “normalen” Menschen, die keine Lobbyist*innen sind. Und das ist der Qualität der Politik auch anzumerken.
Wie viel dabei falsch laufen kann, das lehrt die Geschichte des Kommunismus, der doch das Gute wollte, im 20. Jahrhundert. Ich empfehle:
Komintern: Ein Leben für die Revolution – Die Historikerin Brigitte Studer hat eine Geschichte der global vernetzten Komintern geschrieben. Wie man sich den Alltag und die Arbeit als Berufsrevolutionärin vorstellen kann, erzählt sie im JACOBIN-Interview mit Marcel Bois/Jacobin. Beachten Sie die Abkürzungs-Gleichheit: “KI”!
Und eine gespenstische DDR-Sottise
Dem Lehrer ins Pult scheißen – Vor 60 Jahren wurde Heiner Müllers Komödie »Die Umsiedlerin« in Ostberlin uraufgeführt – und sogleich verboten. Eine Skandalgeschichte von Ronald Weber/Junge Welt.
Letztere Geschichte konnte sich auch im Westen zutragen, in der einen oder anderen Medienanstalt, und natürlich im einen oder anderen Theater. Nur halt ohne SED-Parteigerichte. Dass es sich so in der DDR zugetragen hat, war gewiss ein wichtiger Nagel an ihrem politischen Sarg. Solche Prozesse sind immer ein Indiz für Schwäche, nie für Stärke.
Sie wiederholen sich im Kleinen wie im Grossen, auch ganz ohne Kommunismus, und sind ein Zeichen, dass es mit dem Apparat/System abwärts geht.
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