von Gert Eisenbürger
Aushöhlung des Rechtsstaates in El Salvador juckt deutsche Entwicklungsorganisation nicht

Während sich die internationale Öffentlichkeit und multilaterale Organismen besorgt über die Aushöhlung des Rechtsstaates und die Bedrohung der Pressefreiheit in El Salvador zeigen, gibt es Institutionen, die der immer autoritärer auftretenden Regierung öffentlich den Rücken stärken. Dazu gehört leider auch die „Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit“ (GIZ), die wichtigste deutsche Institution im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Die hat am 21. September 2021 eine Veranstaltung mit dem Thema „Der Kampf gegen die Korruption in El Salvador: die Rolle der Generalstaatsanwaltschaft und des Ministeriums für Justiz und öffentliche Sicherheit“ organisiert. Dort diskutierten El Salvadors Justiz- und Sicherheitsminister Gustavo Villatoro, die frühere honduranische Justizministerin Ana Pineda und der salvadorianische Generalstaatsanwalt Rodolfo Delgado.

Angesichts der zunehmenden Erosion des Rechtsstaats ist es schon verwunderlich, dass die GIZ den dafür maßgeblich verantwortlichen Justizminister und Bukele-Vertrauten Villatoro auf ihr Podium hievt. Noch pikanter ist indessen die Einladung des Generalstaatsanwalts Rodolfo Delgado. Bis zum 1. Mai 2021 amtierte in El Salvador Raúl Melara als Generalstaatsanwalt. Obwohl von der rechten ARENA-Partei vorgeschlagen, begann Melara, einmal im Amt, Ermittlungen sowohl gegen die linke FMLN als auch gegen ARENA wegen mutmaßlicher Korruptionsfälle einzuleiten. Dafür wurde er von Bukele ausdrücklich gelobt. Als er dann aber begann, auch die Korruption der Regierung Bukele bei der Pandemiebekämpfung und die Verhandlungen des Präsidenten mit der organisierten Kriminalität zu untersuchen, ließ Bukele ihn mit seiner neu errungenen Parlamentsmehrheit am 1. Mai 2021 absetzen und noch in derselben Parlamentssitzung Rodolfo Delgado, dem enge Verbindungen zum Justizminister nachgesagt werden, zu dessen Nachfolger wählen. Gleichzeitig wurden die Richter*innen des Obersten Gerichtshofes, die alle noch für mehrere Jahre gewählt waren, abgesetzt und durch solche ersetzt, die Bukele treu ergeben sind. Dass die GIZ nun ausgerechnet das Duo Villatoro/Delgado bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Korruptionsbekämpfung präsentiert, ist mehr als befremdlich.

Spricht man mit Repräsentant*innen öffentlicher Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit über ihre Kooperation mit autoritären Regimes, argumentieren diese oft, das sei nötig, man müsse mit Rücksicht auf die eigenen Projekte und Mitarbeiter*innen in den entsprechenden Ländern mit den dortigen politisch Verantwortlichen im Gespräch bleiben. So könne man auch Fortschritte in Sachen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit erreichen. Obgleich diese Begründung durchaus zu hinterfragen ist, vor allem hinsichtlich der Möglichkeit, so tatsächlich zu Verbesserungen in der Respektierung der Menschenrechte zu kommen, ist sie immerhin noch nachvollziehbar. Nicht mehr nachvollziehbar ist dagegen, dass die GIZ in einer Situation, wo der Rechtsstaat immer mehr beschädigt wird und Journalist*innen (zum Beispiel die Mitarbeiter*innen der Internetzeitung „El Faro“) bedroht werden, die dafür Verantwortlichen in einer Podiumsdiskussion über ihre Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung schwadronieren lässt. Ein salvadorianischer Kollege schrieb uns dieser Tage dazu: „Da schwimmt man mühsam gegen den repressiven Strom Bukeles an, und die GIZ unterstützt seine Klone.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus ila 449 Okt. 2021, hrsg. und mit freundlicher Genehmigung von der Informationsstelle Lateinamerika in Bonn. Links wurden nachträglich eingefügt.

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