Frau Baerbock und Herr Neuendorf schaffen es, mich positiv zu überraschen
In ihrem Ansehen bei mir müssen sie recht weit unten anfangen. Ich beginne mit der Wichtigeren. Der Bundesaussenministerin ist es gelungen, nach ihren zahlreichen Pannen im vergangenen Bundestagswahlkampf, eine klare Mehrheit der deutschen Öffentlichkeit mit ihrem Staatsbesuch in Russland (und zuvor der Ukraine) positiv zu beeindrucken. Wie ist es dazu gekommen?
Die Erwartungen waren zuvor runtergeschraubt. Ihr Grüner Vorsitzkollege Habeck hatte noch im Wahlkampf für Waffenlieferungen (“Defensivwaffen”) an die Ukraine plädiert. Er war schlechten Berater*inne*n (“moderne Liberale”) auf den Leim gegangen. Auf das Grüne Wahlergebnis hat es sich – sehr zurückhaltend formuliert – nicht sichtbar positiv ausgewirkt. Der ukrainische Botschafter in Deutschland erneuerte die alte Habeck-Forderung vor der Baerbock-Reise öffentlich. Für eine Aussenministerin, die vermitteln und vorgeblich deeskalieren will, wurde die Parole damit zu vermintem Terrain.
Frau Baerbock muss in ihrem Staatsamt auf Berater*innen hören, die weit erfahrener und seriöser sind, als vormalige missionarische Maoist*inn*en. Es sind ihre Ministerialbeamten, amtseidlich zu Realismus gezwungen, und eine divers aber wissenschaftlich orientierte Mann- und Frauschaft in der vom Bundeskanzleramt finanzierten Stiftung für Wissenschaft und Politik. Anerkannte und respektierte Amtsvorgänger Baerbocks, zu denen ich den amtierenden Bundespräsidenten zähle, unterhielten dorthin bisweilen kommunikative Standleitungen, weil die Forscher*innen in der Leitungszeit meines alten Freundes Volker Perthes (2005-2020) nicht in Stübchen und an Schreibtischen forschten, sondern sich an aktiver Diplomatie beteiligten – schon weil das viel schlauer und klüger macht.
Vor Baerbocks Reise gab es einen von Medien befeuerten Unterschriftenaktionskrieg diverser Wissenschafts- und Aktivist*inn*enfraktionen. Verhaltensauffällig für mich war dabei Johannes Varwick, gestern z.B. in der Phönix-Runde. Von so einem Realo können angebliche Grüne “Realos” noch was lernen.
Diese neue soziale Bezugsgruppe scheint in kürzester Zeit auf die Ministerin einen guten Einfluss ausgeübt zu haben. Es kann also besser werden.
Herr Neuendorf
Der Kandidat für die DFB-Präsidentschaft Bernd Neuendorf hatte bisher keine gute Presse. Er läuft als Kandidat seines Parteigenossen und berüchtigten Strippenziehers Rainer Koch ins Rennen. Als bayrischer Sozialdemokrat versteht Koch zwangsläufig wenig von Kulturen demokratischer Herrschaft, denn von nichts sind bayrische Sozis weiter entfernt als von Herrschaft. Da hat Neuendorf als NRWler dem aus Kiel nach Bayern eingewanderten Koch eine Menge Regierungserfahrung voraus. Die hat immerhin ausgereicht, Daniel Theweleit einzuwickeln, der in der FAZ-Paywall einen sympathisierenden Personality-Text platzierte.
Ob freilich die Staatssekretärsarbeit für die gescheiterte Kraft-Landesregierung oder die Zuneigung zu Alemannia Aachen (Abstiegskandidat in der 4. Liga) eine Strasse des Erfolges markiert, muss bezweifelt werden. Der DFB könnte so morsch sein, dass das alte sozialdemokratische Männer mit rheinischem Gemüt, die nicht dazu neigen überkommene Strukturen radikal umzugraben, überfordert.
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