Burmester zu G&J / Trittin zum Mali-Einsatz
Die von mir verehrte Silke Burmester hat noch mal für die taz zur Tastatur gegriffen. Es geht um ihren in RTL versenkten Traum von einem Journalismus, den sie auf das einst grosse Hamburger Verlagshaus Gruner & Jahr projizierte. Ihre Bitterkeit kommt daher, dass sie über Jahrzehnte versucht hat, diesen Traum zu leben. Zu meinem grossen Bedauern hat sie ihn aufgegeben. Es ist leider Realismus.
Ich vermag sie kaum zu kritisieren. Den Journalismustraum habe ich selbst geträumt, bin den Schritt in beruflicher Praxis aber nie gegangen. Mein persönlicher Realismus war, dass ich es nicht für möglich hielt, mit guter Arbeit meinen Lebensunterhalt in diesem Beruf bestreiten zu können. Und bin darum, als sich entsprechende Gelegenheiten boten, in die Profipolitik gegangen, in der ich meine Medienkenntnisse zur Genüge anwenden konnte.
Auf diesem Weg kam ich oftmals an aufreizende Weggabelungen. Um 1990 träumte ich von einem Journalistenbüro im aus meiner Sicht vernachlässigten Ruhrgebiet. In den Nullerjahren hatte ich Spass an Kolumnen für den Freitag, ebenso bei den Ruhrbaronen. Mehrmals kreuzte der Kollege David Schraven dabei meinen Weg: taz-nrw, SZ-NRW, Ruhrbarone, WAZ-Rechercheredaktion. Dann gründete er mit finanzieller Hilfe Bodo Hombachs (Brost-Stiftung) das Dickschiff Correctiv. Wir respektierten und schätzten uns, arbeiteten sporadisch zusammen. David wollte immer grössere Räder drehen, als ich mir zutraute. Wer dabei letztendlich besser fährt, ist objektiv offen, und unterliegt sowieso persönlich-subjektiven Kriterien. Jede’ Jeck’ is’ anders.
So eben auch die verehrte, kluge Frau Burmester, deren Ding jetzt “die Frau ab 47” ist. Ich wünsche allen Genannten gutes Gelingen.
Noch ein Nachsatz auf das Grab von G&J: die Produktionsfirma de Mol hat derzeit ihre eigene #metoo-Affäre. Sie ist ein führendes Element des RTL-Privatfernsehmilieus, in dem die einst respektierten Journalismus-Produkte von G&J versenkt werden. Wären sie am Leben geblieben, hätten sie freilich ihre eigene Geschichte sexualisierter Gewalt im Betrieb untersuchen lassen müssen. Dem entgehen sie nun durch ihren Tod.
Mali-Einsatz gescheitert
Der ebenfalls von mir geschätzte Jürgen Trittin dreht als Grüner Aussenpolitiker derzeit ebenfalls grosse Räder. Die Umstände in unserer Partei verlangen das, und er ist keiner, der sich Stress und Verantwortung entzieht. Das hat meine Hochachtung. Er lebt eine Form von Zielstrebigkeit und Realismus, die einerseits politisch wichtig und hilfreich ist, von der ich mich andererseits frage, ob sie für ein Individuum in dieser Strenge und Härte gesund sein kann. S.o. jede’ Jeck …
Jürgens FR-Interview zum Mali-Einsatz der Bundeswehr ist richtig und war fällig. Es öffnet freilich einen politischen Problemkomplex, der weit grösser ist, als er mit den Begriffen Mali und Bundeswehr gerahmt werden kann. Es geht um den Djihadismus in Afrika, und die Tatsache, dass er militärisch nicht hinreichend zu bekämpfen ist, sondern eher gefördert wird. Erforderlich ist eine politische Strategie, die den Millionen jungen afrikanischen – oft delinquenten – Männern und – meistens unterdrückten und diskriminierten – Frauen eine Emanzipationsperspektive bietet. Ein Teil dieser Perspektive muss ein menschenrechtliches und offensiv geregeltes legales Migrationsangebot sein. Doch das ist aus Sicht der Mehrheit der EU-Regierungen, und vermutlich auch der Mehrheit in der Bundesregierung, des Teufels, eine Art “Gottseibeiuns”. So schiesst sich also – wörtlich! – der europäische Rassismus selbst ins Knie. In der globalen Entwicklungskonkurrenz wird Europa auf diese Weise langfristig abgehängt und verliert den Rest seiner einst kolonial begründeten Bedeutung und Macht. Das ist nicht nur schlecht, liegt dann aber auch immer weniger in “unserer” Hand.
Dafür Soldat*inn*en in Lebensgefahr bringen? Das ist zwar der angebliche Sinn von Militär. Politik ist es nicht wirklich.
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