mit Update nachmittags
Der Medienerfolg von Fridays-For-Future Ortsgruppe Hannover ist kaum zu übertreffen. Die Klimabewegung wird “gehört”. Sie muss einfach nur die richtigen Medienknöpfchen drücken. Sogar meine Freunde Roland Appel und Michael Kleff regten sich stundenlang per Email auf, während ich schon im – optimal von der “Blauen Stunde” in der Dorotheenstrasse kulinarisch gesättigten – Tiefschlaf war. Michael hatte in NYC noch Tag, Roland schreibt immer nachts. Doch ich habe Hilfe für die beiden, Und für Sie auch, falls Sie sich immer noch aufregen.

Der Medienmechanismus, der sich derzeit abspielt, ähnelt dem, der mich schon in den 80er Jahren anhand des Beispiels Friedensbewegung schwer verärgert hat. Und die Medienbranche sollte mal eine Viertelstunde drüber nachdenken, was es über sie sagt, wenn sie 40 Jahre nichts dazugelernt hat.

Damals war es so, und heute ist es, als wenn einer nur auf die “Schneller-Vorlauf”-Taste gedrückt hätte, immer noch ähnlich. Ich wusste als PR-Arbeiter im Koordinationsbüro der Friedensbewegung, das damals in einem Ladenlokal an einer kleinen Strassenkreuzung in Graurheindorf residierte (ein Standort, der später die TV-Serie “Stromberg” inspirierte, als der Titelheld in die Verbannung im Vorgebirge geschickt wurde), wie wichtig die Produktion von Bildern ist. Das gelang Anfang der 80er Jahre ausgezeichnet. TV-Stationen im In- und Ausland waren begeistert. Drei Jahre lang wurden die Demos immer grösser. Aber was noch wichtiger, und nicht im Bild, war: das Thema Frieden und Abrüstung erfasste alle – am heimischen Küchentisch, auf Geburtstagen, bei allen familiären Anlässen und Stammtischen musste sich jede*r positionieren.

Leider, leider machte damals – vielleicht mit der Ausnahme der KPdSU Michail Gorbatschows – keine grosse Macht in der Politik das, was die Bewegung forderte. Es kam also zu ihrer “Krise”. Das nächste Schlachtfest für die Massenmedien, die nichts mehr lieben als die Märchen von “Aufstieg und Fall” aller Berühmtheiten. Der “Fall”, der Verlust (grosser) Hoffnung, ist strategisch der wichtigste Faktor zur Stabilisierung von Systemen, Macht und Herrschaft. Er ist qualitativ zu unterscheiden von “Desillusionierung”, die zu Radikalisierung führen kann. Radikalisierung wäre wiederum politisch danach zu bewerten, ob sie stärkt oder schwächt. Das alles erfordert langwieriges Nachdenken und kompliziertes Diskutieren. Solche politische Bewegungen übertreffen darum in ihrer Wirkung oftmals jedes staatliche Bildungssystem – im optimalen Fall können sie es stark beeinflussen.

Gestern und heute waren also ein paar schlecht geschulte Schulkinder dran. Rassismus wird in hiesigen Schulen gezüchtet – aber nicht unterrichtet.

Doch hier wird Ihnen geholfen.

Die von mir immer mehr geschätzte Marlen Hobrack/Berliner Zeitung erklärt die Sache mit den Haaren.

Malte Kreutzfeld/taz, ehemaliger Pressesprecher von Attac auf dem Höhepunkt jener globalisierungskritischen Bewegung, diskutiert ganz ohne die Sache mit den Haaren, den Kern der aktuellen Strategieprobleme der Klimabewegung.

So, und wenn Sie den Arsch bisher noch nicht selbst hochgekriegt haben, blicken Sie in den Spiegel: die Probleme solcher wichtigen Bewegungen sind nicht die von irgendwelchen anderen Dumm- und Wirrköpfen. Frieden und Klima sind Ihr ganz eigenes Problem. Denken Sie ‘ne Viertelstunde drüber nach, wie sie es lösen wollen. Und dann machen Sie.

Update nachmittags

Noch zwei Beispiele, in denen was richtig gemacht wird.

Carla Reemtsma gab der Jungen Welt ein Interview. Interviewer Raphaël Schmeller konfrontierte sie mit gretchenhaften symbolistischen sich linksradikal dünkenden Fragen, auf die Reemtsma bündnispolitisch absolut adäquat und professionell-weise reagierte. Gar nicht doof.

Über den Tagesbericht von Wolfgang Pomrehn/telepolis, der in diesem Fachgebiet einen wirklich integren Journalismus betreibt, fand ich diesen „Aufruf für Klimagerechtigkeit, offene Grenzen, Abrüstung und Frieden“ diverser Klimabewegungs- und Jugendorganisationen. Es ist keine Vergnügens-Veranstaltung, so viel politische Reife auf die Waage zu bringen, und ein ansehnlicher Vorsprung vor der disparaten Erwachsenen- (Boomer-)Welt. Kompliment. Nicht alles wird schlechter.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net